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SPIRITUALITÄT
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RUNDBRIEFE
Die vier Grundrichtungen
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Im Werk der Heiligen Engel sprechen wir von vier Grundrichtungen unserer Spiritualität. Dieser Begriff kann anschaulich auf die folgende Weise erklärt werden.
Die Mitte des Werkes ist unser Herr Jesus Christus, der Gekreuzigte und am Kreuz Siegende. Schauen wir also auf Jesus. Am Kreuz hat Er Seine größte Liebestat vollbracht (s. Joh 15,13). Man kann das Kreuz deshalb nicht verstehen, ohne auf das Herz Jesu zu schauen. Von dieser Mitte aus gehen die Kreuzesbalken in vier Richtungen: nach oben, nach rechts (rechte Hand Jesu), nach links (linke Hand) und nach unten; und so haben wir die vier Grundrichtungen des OA als vier Weisen der Verwirklichung unserer Liebe zu Gott und zum Nächsten, nämlich:
– Die Anbetung Gottes (Kreuzbalken nach oben),
– die Betrachtung des Wortes Gottes und Seiner Heilstaten (Kreuzbalken nach rechts),
– die Sühne in Vereinigung mit dem Sühneopfer Christi (Kreuzbalken nach links),
– die Sendung, unsere tätige Mithilfe an der Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden (Kreuzbalken nach unten).
1. Adoratio
Die Anbetung ist der erste Wesenszug des Werkes der Heiligen Engel. Wir sind zum Lob Gottes geschaffen, deshalb wollen uns die heiligen Engel mitnehmen, mit ihnen zusammen Gott zu loben, zu preisen und Ihm zu danken. So wie die Engel in ständiger Anbetung leben und ihr ganzes Dasein zur Anbetung machen, so wollen sie auch uns dazu führen, unser ganzes Leben zu einer Anbetung Gottes zu machen. Anbetung bedeutet somit Gott anerkennen und letztlich die „Selbstübergabe an Gott“ (Zitat aus dem Katechismus: KKK 1078). Anbetung ist eine Lebenshaltung und eine Lebenseinstellung. In diesem Sinn schreibt auch der hl. Apostel Paulus an die Thessalonicher: „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17). Und der hl. Papst Johannes Paul II. sagt: „Unsere Anbetung sollte nie aufhören.“ (Brief Dominicæ cenæ)
Die Grundrichtung der Anbetung beinhaltet die Liebe zum Gebet, zum Gespräch mit Gott und zur Anbetung vor dem Allerheiligsten Sakrament des Altares. Darum wird im Werk der Heiligen Engel die feierliche Liturgie und die eucharistische Anbetung gepflegt. Dabei dürfen wir die Anbetung nicht kompliziert machen. Ganz im Gegenteil. Das einzige, was wir zu tun haben, ist, wirklich voll und ganz da zu sein, beim Herrn zu sein, ohne viele Worte. Der Herr kennt uns so, wie wir sind und Er will, dass wir auch bei Ihm, in der Anbetung, so sind, wie wir eben sind. In diesem „Dasein vor Gott“ in der Anbetung will er uns mit seiner Liebe erfüllen und uns von innen heraus wandeln, hin zum Guten, hin zu ihm selbst.
2. Contemplatio
Die zweite Grundrichtung im Werk der heiligen Engel ist die Betrachtung oder – auf Lateinisch – die contemplatio. In der Veranschaulichung der vier Grundrichtungen ist es der Kreuzbalken mit der rechten Hand des Herrn. Die „Rechte“ Gottes ist in der Heiligen Schrift Symbol Seiner Macht, mit der Er für das Heil der Menschen wirkt (z.B. Ps 118,15-16: „Frohlocken und Jubel erschallt in den Zelten der Gerechten: «Die Rechte des Herrn wirkt mit Macht! Die Rechte des Herrn ist erhoben, die Rechte des Herrn wirkt mit Macht!»)
Die heiligen Engel leben in der unmittelbaren Schau Gottes (s. Mt 18,10). Wir Menschen auf Erden leben nicht in dieser Schau Gottes, sondern noch im Glauben an Gott und Sein Wirken. Mit der Hilfe und nach dem Vorbild der heiligen Engel sollen auch wir solche werden, die ihren Blick des Glaubens und der Liebe ganz entschieden auf Gott und Sein Wirken richten. Dieses Schauen auf Gott nennen wir Betrachtung oder Kontemplation.
Die Betrachtung des Wortes Gottes und der Göttlichen Wahrheiten führt zu einer inneren Wandlung. Sie formt unser Leben und zeigt sich in der Tat. Die Betrachtung richtet sich immer zuerst auf Gott, auf das Reich Gottes, das Wort Gottes, das Kreuz. Die tägliche Betrachtung führt zur Ruhe in Gott, zum Frieden des Herzens und zum Frieden in der eigenen Gemeinschaft durch wahre Liebe gegenüber der Umgebung (vgl. 1 Joh 3,16-18). Wir verpflichten uns das Wort Gottes in der Heiligen Schrift, gemäß der katholischen Lehre hochzuhalten.
3. Expiatio
Die Sühne ist der dritte Wesenszug im Werk der Heiligen Engel. Sie ist etwas Geheimnisvolles, schwer zu Verstehendes, aber es ist ein Geheimnis der Liebe, und zwar der Liebe des menschgewordenen Sohnes Gottes zu seinem Vater und zu den sündigen Menschen. An dieser Liebe Jesu dürfen wir teilhaben.
Der Apostel Johannes, der mit Maria unter dem Kreuz des Herrn stand und auf Ihn schaute, schreibt: “Darin haben wir die Liebe erkannt, dass Christus sein Leben für uns dahingegeben hat. So müssen auch wir für die Brüder das Leben dahingeben“ (1 Joh 3,16). So wie Christus uns geliebt hat bis zur Hingabe Seines Lebens, so sollen auch wir einander lieben. „Liebt einander wie Ich euch geliebt habe“, sagt der Herr, „niemand hat eine größere Liebe als wer sein Leben gibt für seine Freunde“ (Joh 15,12).
In der Grundrichtung der Sühne lernen wir an der Hand unserer heiligen Schutzengel vor allem das „Opfer bringen aus Liebe“ zu Gott und zu unseren Mitmenschen. Wenn wir nicht bereit sind, aus Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen ein Opfer zu bringen, auf unsere Zeit oder sonst etwas zu verzichten, dann ist es mit unserer Liebe nicht weit her. Ein Opfer bringen heißt nichts anderes als Gott oder den Mitmenschen ein Geschenk machen aus Liebe. Ein Geschenk belebt die Liebe und das soll auch das Ziel des Opfers oder der Sühne sein.
Der heilige Schutzengel hilft uns, im alltäglichen Leben mit kleinen Opfern anzufangen. Er erzieht uns vor allem zum Dienen und Helfen, sei es im kleinen Kreis der Familie oder im Einsatz in irgendeinem Apostolat der Kirche, sei es öffentlich oder auch in einem verborgenen Dienst, den niemand sieht. Wir schenken unsere Opfer besonders für die Priester und Ordensleute, aber auch für alle Menschen in Not und Gefahren.
4. Missio
Die Sendung ist der vierte Wesenszug im Werk der Heiligen Engel. Jeder von uns ist zum Einsatz für das Reich Gottes aufgerufen, um mit und in der Kirche am Auftrag Jesu, das Evangelium zu verkünden, mitzuwirken. Im üblichen Sprachgebrauch bedeutet das Wort „Sendung“ oder „Gesendet werden“ eine Aufgabe, die erfüllt werden soll und die oftmals eine örtliche Entfernung erfordert. Man wird „wohin“ gesendet. In der Spiritualität der Bibel liegt der Akzent anders. Nicht die Entfernung ist wesentlich, sondern die enge persönliche Beziehung zwischen dem Sendenden und dem Gesandten. Das heißt, es soll eine tiefe innere Einheit zwischen beiden bestehen, die den Sendenden „sichtbar“ werden lässt im Gesandten. So sagt Christus als der Gesandte des Vaters: „Wer Mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9)
Daher lautet die Abschiedsbotschaft des Auferstandenen: „Wie Mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch“ (Joh 20,21). Wir haben einen Auftrag. Wir sind vom Herrn gesandt! Jesus will durch Seine Kirche, durch uns, Seine Sendung fortsetzen, allen Menschen das Evangelium zu bringen und die Liebe Gottes zu bezeugen bis an die Grenzen der Erde, bis ans Ende der Zeit. Beginnen wir dabei in unserem Umfeld, indem wir bereit sind, ihnen zu helfen, einzuspringen, wo man Hilfe braucht, unseren Glauben zu leben und so Zeugnis zu geben für Christus. Sendung beginnt für uns nicht in den Missionsgebieten, sondern in unserem konkreten Alltag und Umfeld.
Um durch unser Wort und Beispiel authentisch von Christus Zeugnis geben zu können, brauchen wir die Hilfe der heiligen Engel. Der hl. Thomas von Aquin sagt, dass die Vermittlung der Glaubenswahrheiten vornehmlich durch die Engel geschieht, „durch die den Menschen die Göttlichen Geheimnisse geoffenbart werden. Darum tragen die Engel bei zur Erleuchtung des Glaubens“ (Summa Theologiæ I,111,1, ad 1). Die Sendung zur Ausbreitung des Reiches Gottes ist also ein gemeinsames Werk von Engel und Mensch.
Unser heiliger Schutzengel wird uns helfen, unseren Glauben in Wort und Tat zu bekennen. Dazu brauchen wir übrigens nicht große apostolische Aktivitäten unternehmen. Auch in der treuen Erfüllung unserer Pflichten können wir dieser Aufgabe gerecht werden. Denn nicht die vielen Worte überzeugen, sondern das gelebte Beispiel. Es ist nicht so entscheidend, was wir tun, sondern mehr noch, wie wir es tun, denn die Göttliche Liebe ist es, welche die Welt wandeln und retten wird. Und dazu helfen uns die heiligen Engel, deren Beistand in der Sendung wir erbitten wollen.