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Die Aussagen der Päpste

Leo XIII. (1878 – 1903)

Enzyklika Augustissimae Virginis, 12. September 1897 (Auszug)

Noch eine andere, des Lobes würdige Eigenschaft dürfen wir nicht mit Stillschweigen übergehen, die unserer [Rosenkranz-]Bruderschaft eignet, So oft wir nämlich beim Beten des marianischen Rosenkranzes die Geheimnisse unseres Heiles überdenken, ebenso oft treten wir in Wettstreit mit den Engeln, und zwar in der Ausübung eines hochheiligen Dienstes, der große Ähnlichkeit hat mit jenen Dienstleistungen, die einst der himmlischen Heerschar der Engel anvertraut waren. Sie haben ja diese Geheimnisse zu ihrer Zeit uns enthüllt, sie haben einen großen Anteil an diesen Geheimnissen genommen; sie wirken eifrig bei diesen mit, bald mit freudestrahlendem Antlitz, bald mit schmerzerfülltem, bald wieder voll Jubel im herrlichen Triumph. Gabriel wird zur heiligen Jungfrau gesandt, ihr die Menschwerdung des ewigen Wortes zu verkündigen. Engel feiern mit ihren Gesängen in der Grotte zu Bethlehem die Herrlichkeit des zur Welt geborenen Heilandes. Ein Engel bestimmt Josef zu fliehen und sich mit dem Kind nach Ägypten zu retten. Da Jesus im Ölgarten von Traurigkeit überwältigt blutigen Schweiß vergießt, tröstet ihn ein Engel mit ehrfürchtig-liebendem Wort. Engel verkünden Jesus den Frauen, nachdem er als Sieger über den Tod aus dem Grab hervorgegangen. Von seinem Einzug in den Himmel bringen Engel die Botschaft und kündigen an, dass er, von den Scharen der Engel begleitet, wiederkommen werde. Dann wird er die Seelen der Auserwählten mit den Engel vereinigen und sie zu den himmlischen Chören emporführen, über die „erhöht worden ist die heilige Gottesgebärerin“.

Pius XII. (1939 – 1958)

Enzyklika Mystici Corporis, 29. Juni 1943 (Auszug)

Wir beginnen mit der Gleichförmigkeit, die offensichtlich zwischen Haupt [Christus] und Gliedern [wir] auf Grund der gleichen Natur besteht. Dazu ist zu bemerken: Unsere Natur erreicht zwar nicht die der Engel, hat jedoch durch Gottes Güte vor der Engelnatur einen Vorzug: „Christus ist nämlich“, wie der Aquinate sagt, „das Haupt der Engel. Denn Christus steht über den Engeln auch seiner Menschheit nach … Ebenso erleuchtet und beeinflusst er die Engel auch als Mensch. Soweit jedoch die Naturgleichheit in Frage kommt, ist Christus nicht das Haupt der Engel, weil er sich, nach dem Worte des Apostels, nicht der Engel, sondern der Kinder Abrahams annahm“ (Thomas v. Aquin, Comm. in epist. ad Eph. c.1, lect.8, Hebr2,16-17).

Paul VI (1963 – 1978)

Im „Credo des Gottesvolkes“, gesprochen im „Jahr des Glaubens“ am 30. Juni 1068, 1. Artikel

Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Sohn und den Hl. Geist, den Schöpfer der sichtbaren Dinge, wie es diese Welt ist, auf der wir unser flüchtiges Leben führen, als auch der unsichtbaren Dinge, wie es die reinen Geister  sind, die wir auch Engel nennen, und Schöpfer der unsterblichen Geistseeele in einem jeden Menschen.

Johannes Paul II (1978 – 2005)

1. Engel-Katechese: General Audienz vom 9. Juli 1986

Schöpfer aller Dinge, der sichtbaren und der unsichtbaren

1. Unsere Katechesen über Gott, den Schöpfer der Welt, können wir nicht abschließen, ohne noch einem bestimmten Innhalt der göttlichen Offenbarung entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen: nämlich der Erschaffung jener rein geistigen Wesen, die die Heilige Schrift ,,Engel“ nennt. Diese Schöpfung wird in den Glaubensbekenntnissen, besonders mit nicaeno-constantinopolitanischen, klar erwähnt, wenn es da heißt: „Ich glaube an den einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge“ (d.h. Wesen). Wir wissen, dass innerhalb der Schöpfung der Mensch eine einzigartige Stellung genießt: dank seines Leibes gehört er der sichtbaren Welt an, während er sich durch die Geistseele, die den Leib belebt, gleichsam an der Grenze zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Schöpfung befindet. Dieser unsichtbaren Schöpfung gehören nun nach der Aussage im Glaubensbekenntnis, das die Kirche im Lichte der Offenbarung bekennt, noch andere, rein geistige Wesen an. Sie gehören nicht der sichtbaren Welt an, sind aber in ihr gegenwärtig und tätig. Sie stellen eine eigene Welt dar.

2. Wie in vergangenen Zeiten, so spricht man auch heute mit mehr oder weniger Weisheit von diesen geistigen Wesen. Man muss zugeben, dass die Verwirrung dabei bisweilen recht groß ist. Das bringt die Gefahr mit sich, etwas als Glaube der Kirche über die Engel hinzustellen, was gar nicht zu diesem Glauben gehört, oder umgekehrt einen wichtigen Gesichtspunkt an dieser geoffenbarten Wahrheit zu übergehen.
Die Existenz der geistigen Wesen, die die Heilige Schrift für gewöhnlich „Engel“ nennt, wurde bereits zur Zeit Christi von den Sadduzäern geleugnet (Vgl. Apg 23,8). Ebenso wird sie von den Materialisten und Rationalisten aller Zeiten bestritten. Doch „wollte man sich von den Engeln befreien, so müsste man die Heilige Schrift selbst und mit ihr die ganze Heilsgeschichte radikal revidieren‘. So hat ein moderner Theologe treffend bemerkt. (vgl. A. Winklhofer, Die Welt der Engel, Ettal 1961, S.144, Anm.2.; in Mysterium Salutis, II, 2, S. 726)) Die gesamte Überlieferung stimmt in der Frage nach der Existenz der Engel völlig überein: und das Glaubensbekenntnis der Kirche ist hier im Grunde nur des Echo auf das, was der heilige Paulus an die Kolosser geschrieben hat: ,,Denn in Ihm (Christus) wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften. Mächte und Gewalten: alles ist durch lhn und auf lhn hin geschaffen (Kol 1,16). Des heißt: Christus. der als Sohn das ewige, mit den, Vater wesensgleiche Wort und der ,,Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15) ist, steht im Mittelpunkt des ganzen Universums als Grund und Angelpunkt der ganzen Schöpfung.

3. Die Bezugnahme auf den Vorrang (Primat) Christi hilft uns verstehen, dass die Wahrheit von der Existenz und vom Wirken der (guten und bösen) Engel keineswegs den zentralen Inhalt der Wortoffenbarung Gottes bildet. Denn in der Offenbarung redet Gott vor allem die Menschen an… und verkehrt mit ihnen, um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen, wie wir in der Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“ Nr. 2 lesen. So bildet „die tiefe Wahrheit… über Gott und des Heil der Menschen“ den Hauptinhalt der göttlichen Offenbarung, der uns in der Person Jesu Christi am vollständigsten aufleuchtet. Die Offenbarungswahrheit von den Engeln ist gewissermaßen nur eine den Rahmen bildende (kollaterale), aber von der Hauptoffenbarung nicht zu trennende Wahrheit. Die Hauptoffenbarung ist die von der Existenz, Majestät und Herrlichkeit des Schöpfers, wie sie in der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung und im Heilswirken Gottes in der Geschichte des Menschen aufleuchten. Die Engel sind demnach in der Wirklichkeit der göttlichen Offenbarung nicht Geschöpfe ersten Ranges, aber sie gehören voll dazu; ja manchmal sehen wir sie sogar im Namen Gottes selbst fundamentale Aufgaben erfüllen.

4. Alles, was zur Schöpfung gehört, gehört gemäß der göttlichen Offenbarung zum Geheimnis der göttlichen Vorsehung. Das hat auf besonders treffliche Weise das I. Vatikanische Konzil deutlich gemacht in den folgenden Worten: ,,Alles, was Gott geschaffen hat, erhält und leitet er mit seiner Vorsehung, die machtvoll ihre Kraft vom einen Ende (der Welt) zum andern entfaltet und voll Güte das All durchwaltet (vgl. Weish 8,1). ,Alles liegt nackt und bloß vor seinen Augen‘ (vgl. Hebr 4,13), auch das, was aus freier Initiative der Geschöpfe geschehen wird“ (DS 3003).
Die Vorsehung umfasst also auch die Welt der reinen Geister, die noch viel mehr als die Menschen freie Vernunftwesen sind. In der Heiligen Schrift finden wir wertvolle Hinweise auf sie. Dort findet sich auch die Offenbarung eines geheimnisvollen, aber wirklichen Dramas, das diese Engelwesen betraf, ohne dass irgend etwas der ewigen Weisheit entgangen wäre, die machtvoll (fortiter) und zugleich gütig (suaviter) alles im Reich des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zur Vollendung führt.

5. Vor allem kommen wir dabei zur Erkenntnis, dass die göttliche Vorsehung als liebevolle Weisheit Gottes gerade in der Erschaffung rein geistiger Wesen offenbar wird. Ihre Gottähnlichkeit kommt dabei besonders gut zum Ausdruck, die alles in der sichtbaren Welt Erschaffene, den Menschen eingeschlossen, der gleichfalls ein unauslöschliches Ebenbild Gottes ist, weit überragt. Denn Gott, der absolut vollkommene Geist, spiegelt sich vor allem in den geistigen Wesen wider, die Ihm von ihrer Natur her, d.h. wegen ihrer Geistigkeit, viel näher stehen als die materiellen Geschöpfe. Sie bilden gleichsam die allernächste ,,Umgebung“, gewissermaßen den Hofstaat des Schöpfergottes. Die Heilige Schrift liefert ein recht deutliches Zeugnis dieser ganz großen Gottesnähe der Engel, wenn sie dort in bildhafter Sprache von ihnen als dem „Thron“ Gottes, als seinen „Scharen“, seinem „Himmel“ spricht. Die Heilige Schrift hat hier die Dichtung und die Kunst der christlichen Jahrhunderte inspiriert, die uns die Engel als „Gefolge Gottes“ darstellen.

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2. Engel-Katechese: General Audienz vom 23. Juli 1986

Die Scheidung der Geister in der Engelwelt

1. Heute führen wir unsere Katechese über die heiligen Engel fort, dessen Existenz, gewollt durch einen Akt der göttlichen Liebe, wir mit den Worten des nicaeno-constantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses bekennen: „Ich glaube an den einen Gott, den Vater den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der sichtbaren und der unsichtbaren Dinge.“

In der Vollkommenheit ihrer Geistnatur sind die Engel von Anfang an kraft ihres Intellekts dazu berufen, die Wahrheit zu erkennen und das Gute zu lieben, das sie in viel umfassenderer und vollkommenerer Weise, als dies dem Menschen möglich ist, in der Wahrheit erkennen. Diese Liebe ist ein freier Willensakt, auf Grund dessen auch für die Engel ihre Freiheit die Möglichkeit in sich schließt, eine Entscheidung für oder gegen das Gute, das sie erkennen, also für oder gegen Gott selbst, zu treffen.

Es muss hier wiederholt werden, was bereits in bezug auf den Menschen gilt: Mit der Erschaffung freier Wesen wollte Gott, dass sich in der Welt jene wahre Liebe verwirkliche, die einzig und allein auf der Grundlage der Freiheit möglich ist. Gott wollte also, dass das nach seinem Bild und Gleichnis geformte Geschöpf Ihm, der „die Liebe“ ist (1 Joh 4,16), möglichst vollkommen ähnlich werden könne. Wenn Gott die reinen Geister als freie Wesen erschaffen hat, so musste Er in seiner Vorsehung auch die Möglichkeit zur Sünde der Engel voraussehen. Aber weil die göttliche Vorsehung ewige Weisheit ist, die liebt, so wusste Gott aus der Geschichte dieser Sünde, die als Sünde eines reinen Geistes unvergleichlich radikaler ist, das endgültig Gute des ganzen geschaffenen Kosmos zu gewinnen.

2. Tatsächlich scheiden sich die reinen Geister, wie die Offenbarung deutlich sagt, in gute und böse. Diese Scheidung ist jedoch nicht durch Gottes Schöpfungstat bewirkt worden, sondern auf Grund der Freiheit der Geistnatur, die einem jeden dieser rein geistigen Wesen zu eigen ist. Diese Scheidung wurde bewirkt durch die Entscheidung, die bei den rein geistigen Wesen einen unvergleichlich radikaleren Charakter besitzt und unwiderruflich (irreversibel), d.h. nicht rückgängig zu machen ist in Anbetracht des hohen Grades von intuitiver Erkenntnis und Durchdringung des Guten, womit der Verstand dieser Geistwesen ausgestattet ist.

In diesem Zusammenhang muss nun gesagt werden, dass die reinen Geister — wie später die Menschen — einer moralischen Prüfung unterworfen worden sind. Dabei ging es um eine Entscheidung vor allem im Hinblick auf Gott selbst, der von den reinen Geistwesen seinem Wesen nach stärker und unmittelbarer erkannt wurde, als dies dem Menschen möglich ist, zumal Gott diesen Geistwesen noch vor dem Menschen die Teilhabe an seiner göttlichen Natur geschenkt hat.

3. Gott ist das erste und höchste Gut, das seinem Wesen nach von den reinen Geistwesen stärker und direkter bejaht, beziehungsweise abgelehnt werden konnte, als dies im Wirkungskreis des freien Willens des Menschen geschehen kann. Die reinen Geister haben ja eine unvergleichlich vollkommenere Erkenntnis Gottes als der Mensch, weil diese kraft ihres Intellekts von der sinnenhaften Vermittlung der Erkenntnis (wie beim Menschen) weder bedingt noch beschränkt wird. Die reinen Geister sehen und erkennen die Größe des unendlichen Seins, der ersten Wahrheit, des höchsten Gutes, bis auf den Grund. Dieser tiefen (sublimen) Erkenntnisfähigkeit der reinen Geister bot Gott das Geheimnis seiner Göttlichkeit dar. Er machte die reinen Geister gnadenhaft zu Teilhabern an seiner unendlichen Herrlichkeit: Eben weil die Engel Wesen reiner Geistnatur sind, war in ihrem Verstand die Fähigkeit und das Verlangen nach dieser übernatürlichen Erhöhung gegeben, zu der sie Gott berufen hatte, um ihnen noch vor dem Menschen ,,Anteil an der göttlichen Natur“ (vgl. 2 Petr 2,4) zu gewähren. Sie sollten so Teilhaber am innersten Leben dessen werden, der in der Gemeinschaft der drei göttlichen Personen ,, die Liebe ist“ (1 Joh 4,16). Gott hatte alle reinen Geister früher als den Menschen und viel stärker als ihn zur ewigen Gemeinschaft der Liebe zugelassen.

4. Die Entscheidung, die auf Grund der besonderen Klarheit ihres Intellekts und der so in höherer Form erkannten Wahrheit über Gott von den Engeln getroffen wurde, hat die Welt der reinen Geister in Gute und Böse geteilt. Die Guten haben Gott als höchstes und endgültiges Gut erwählt, das sie im Lichte des von der Offenbarung erleuchteten Intellekts erkannt hatten. Ihre Entscheidung für Gott bedeutete, dass sie sich mit der ganzen inneren Kraft ihrer Freiheit, der Kraft, die Liebe ist, Ihm zugewandt haben. Gott ist zum totalen und endgültigen Ziel ihrer geistigen Existenz geworden. Die anderen Engel jedoch haben sich von Gott abgewandt, ganz im Gegensatz zu der erkannten Wahrheit, die Ihn doch als das umfassende und endgültige Gut auswies. Diese gefallenen Engel haben ihre Entscheidung gegen die Offenbarung des Geheimnisses Gottes getroffen, gegen seine Gnade, durch die Er sie teilhaben ließ an seiner Dreifaltigkeit und an der ewigen Freundschaft und Liebesgemeinschaft mit sich. Auf Grund ihrer geschöpflichen Freiheit haben sie eine ebenso radikale und irreversible Wahl getroffen wie die guten Engel, jedoch dieser diametral entgegengesetzt: statt Gott liebevoll anzunehmen, haben sie Ihm eine Absage erteilt, die bestimmt war vom irrigen Gedanken ihrer Unabhängigkeit, von Ablehnung und sogar von Hass, der sich schließlich in Rebellion verwandelte.

5. Wie soll man eine solche Opposition und Rebellion gegen Gott bei solchen Wesen verstehen, die doch mit so lebendigem Intellekt begabt und mit solcher Geistesklarheit ausgestattet waren? Was kann der Grund für eine so radikale und nicht mehr rückgängig zu machende Entscheidung gegen Gott sein? Was kann der Grund für einen so tiefen Hass sein? Er kann eigentlich nur als Frucht des Wahnsinns erscheinen! Kirchenväter und Theologen zögern nicht, von Verblendung zu sprechen, hervorgerufen durch Überschätzung der Vollkommenheit des eigenen Seins und so weit getrieben, dass diesen reinen Geistern die Oberhoheit Gottes verschleiert wurde, der von ihnen einen Akt williger und gehorsamer Unterwerfung verlangt hatte. Das alles scheint überaus treffend in den Worten ausgedrückt zu sein: ,,Ich will nicht dienen!“ (Jer 2,20). Diese Worte zeigen die radikale, nicht mehr rückgängig zu machende Weigerung, am Aufbau des Reiches Gottes in der geschaffenen Welt teilzunehmen. Satan, der rebellische Geist, will sein eigenes Reich, nicht das Reich Gottes. Er erhob sich zum ersten Widersacher des Schöpfers, zum Gegner der Göttlichen Vorsehung, zum feindseligen Streiter gegen die liebende Weisheit Gottes. Aus der Auflehnung und der Sünde Satans, wie auch der des Menschen, müssen wir, die weise Erfahrung der Heiligen Schrift aufgreifend, den Schluss ziehen: ,,Der Stolz führt ins Verderben“ (Tob 4,13).

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3. Engel-Katechese: General Audienz vom 30. Juli 1986

Die Engel als Bild von Gott

1. In den vorangegangenen Katechesen haben wir nachgedacht über den Glaubensartikel, in dem wir Gott als Schöpfer nicht nur der ganzen sichtbaren Welt preisen und bekennen, sondern auch als den Schöpfer der „unsichtbaren Dinge“, und wir haben die Frage der Existenz der Engel erörtert, welche gerufen worden waren, eine Entscheidung für oder gegen Gott in einem radikalen und unkehrbaren Akt der Annahme oder der Zurückweisung von Gottes erlösendem Willen abzulegen.
Gemäß der Heiligen Schrift sind die Engel, insofern sie reine geistige Schöpfungen sind, gegenwärtig zu unserer Reflektion als eine besondere Verwirklichung des „Bildes von Gott“, des vollkommensten Geistes, wie Jesus selbst die Samaritanerin mit den Worten erinnert: „Gott ist Geist“ (Joh 4,24). Von diesem Gesichtspunkt sind die Engel die Geschöpfe, die am nächsten dem göttlichen Beispiel sind. Der Name, der ihnen von der Heiligen Schrift gegeben wird, zeigt an, dass, was am meisten in der Offenbarung zählt, ist die Wahrheit hinsichtlich der Aufgaben der Engel in Beziehung zum Menschen: Engel (angelus) bedeutet tatsächlich „Kurier“; das hebräische malak, benutzt im Alten Testament, bedeutet genauer „Gesandter “ oder „Botschafter“. Die Engel, geistige Geschöpfe, haben eine Funktion der Vermittlung und des Ministeriums in der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Unter diesem Aspekt sagt der Brief an die Hebräer, dass dem Christus ein „Name“ gegeben worden ist, und daher ein Dienst der Vermittlung, weit dem der Engel überlegen (vgl. Heb 1,4).

2. Das alte Testament hebt besonders die spezielle Teilnahme der Engel in der Feier der Herrlichkeit hervor, die der Schöpfer als Tribut des Lobs von Seiten der geschaffenen Welt empfängt. Die Psalmen sind in speziell Weise Auslegungen dieser Stimme, wenn sie z.B. ausrufen „Halleluja! Lobt den Herrn vom Himmel her, lobt ihn in den Höhen: Lobt ihn, all seine Engel, …(Ps 148,1-2). Ähnlich in Psalm 102 (103): „Lobt den Herrn, ihr seine Engel, / ihr starken Helden, die seine Befehle vollstrecken, seinen Worten gehorsam! (Ps 102 [ 103]:20). Dieser letzte Verse von Psalm 102 anzeigt, dass die Engel in einer ihnen eigenen Weise teilnehmen, an Gottes Regierung über der Schöpfung, als „die mächtigen, die sein Wort vollziehen“ entsprechend dem Plan, der von Gottes Vorsehung erstellt wird. Den Engeln im besonderen ist anvertraut eine besondere Sorgfalt für das Volk, dessen Bitten und Gebete sie Gott darbringen, wie, erwähnt z.B. im Buch von Tobit (Vgl. besonders Tob 3,17 und 12,12). Der Psalm 90 ruft aus: Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt; Ps 90-[91]:11-12). Nach dem Buch von Daniel kann es gesagt werden, dass die Aufgaben der Engel als Botschafter des lebendigen Gottes nicht nur für einzelne Menschen und für diejenigen, die spezielle Aufgaben haben, gegeben werden, sondern auch für ganze Nationen (Dan 10,13-21)

3. Das neue Testament beleuchtet die Rolle der Engel in der messianischen Mission Christi und vor allem im Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes, wie wir in der Erzählung der Verkündigung der Geburt des Johannes des Täufers (vgl.. Lk 1,11), des Christus selbst (vgl. Lk 1,26), in der Erklärung und in den Aufträgen beobachten, die Maria und Joseph (vgl. Lk 1,30-37; Mt 1,20-21) erteilt werden, in der Verkündigung an die Hirten in der Nacht der Geburt des Herrn (Lk 2,9-15), im Schutz des neugeborenen Kindes vor der Gefahr der Verfolgung durch Herodes (vgl. Mt 2,13).
Weiter wird in den Evangelien vom Vorhandensein der Engel während Jesus‘ vierzig Tage Fasten in der Wüste (Mt 4,11) und während des Gebets in Gethsemani. gesprochen. Nach der Auferstehung Christi ist dort auch ein Engel, der unter der Gestalt eines jungen Mannes erscheint, und zu den Frauen, die zum Grab geeilt waren und überrascht waren, es leer zu finden, sagt „Fürchtet euch nicht! ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, … geht schnell zu seinen Jüngern ..(Mt 28,5-7). Zwei Engel wurden auch von Mary Magdalene gesehen, die durch eine persönlichen Erscheinung von Jesus beschenkt wurde (Joh 20,12-17; vgl.. auch Lk 24:4). Die Engel erscheinen den Aposteln nach Auferstehung Christi, um ihnen zu sagen. „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen. (Apg 1,10-11). Sie sind die Engel von ihm, die, wie der hl. Petrus schreibt, „der in den Himmel gegangen ist; dort ist er zur Rechten Gottes, und Engel, Gewalten und Mächte sind ihm unterworfen. (1 Petr 3,22)

4. Wenn wir das zweite Kommen Jesu Christi in der Parusie betrachten, finden wir dass all die synoptischen Evangelien anmerken, dass „der Menschensohn… in der Herrlichkeit des Vaters mit den heiligen Engeln kommen wird (so Mk 8,38;wie auch Mt 16,27; und Mt 25,31 in der Beschreibung des letzten Gerichts; und Lk 9,26; vgl. auch den hl. Paulus in 2 Thess 1,7). Es kann folglich gesagt werden, dass die Engel, als reine Geister, nicht nur an der Heiligkeit Gottes selbst in ihrer eigenen Weise teilnehmen, sondern in den Schlüsselmomenten umgeben sie Christus und begleiten ihn in der Erfüllung seiner Erlösungs-Mission hinsichtlich der Menschheit. In der gleichen Weise hat auch die ganze Tradition und das ordentliche Lehramt der Kirche all die Jahrhunderte hindurch den Engeln diesen besonderen Charakter und diese Funktion des messianischen Dienstes zugeschrieben.

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4. Engel-Katechese: General Audienz vom 6. August 1986

Die Teilnahme der Engel an der Heilsgeschichte

In dieser Generalaudienz vom 6. August merkte Papst Johannes Paul II. an, dass die moderne Mentalität die Wichtigkeit der Engel nicht sieht. Doch im Zusammentreffen mit der Welt der Engel kommt der Mensch dazu, sein eigenes Sein zu sehen, nicht nur als Körper, sondern auch als Geist.

1. In den vorausgegangenen Katechesen haben wir gesehen, wie sich die Kirche, erleuchtet durch das Licht, das die Heilige Schrift schenkt, durch die Jahrhunderte hindurch zur Wahrheit von der Existenz der Engel, dieser von Gott geschaffenen reinen Geistwesen, bekannt hat. Im nicaeno-constantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekannte sie diese Wahrheit von Anfang an und bestätigte sie auf dem IV. Lateran-Konzil, dessen Lehrentscheidung vom I. Vatikanischen Konzil wieder aufgegriffen wurde im Zusammenhang mit der Lehre von der Schöpfung: Gott ,,hat zu Beginn der Zeit beide Schöpfungen zugleich aus dem Nichts ins Dasein gerufen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der stofflichen (materiellen) Welt; dann hat er die Menschennatur erschaffen, der beides eigen ist, da sie aus Geist und Leib besteht“ (De fide cath. DS 3002). Das heißt: Gott erschuf am Anfang beide Wirklichkeiten, die geistige und die körperliche, die irdische und die der Engel. Das alles erschuf Er zugleich (simul)…

2. Zusammen mit dem Glauben an die Existenz der Engel erkennt der Glaube der Kirche auch bestimmte Züge an der Natur der Engel. Ihr rein geistiges Wesen schließt vor allem neben ihrem nicht-materiellen Dasein ihre Unsterblichkeit ein. Die Engel haben keinen Leib; sie können freilich unter bestimmten Umständen aufgrund ihrer Sendung zugunsten der Menschen in sichtbarer Gestalt erscheinen. Sie sind nicht dem Gesetz der Vergänglichkeit unterworfen, das die ganze materielle Welt beherrscht. Jesus selbst hat dort, wo er über das zukünftige Leben der Auferstandenen spricht, bezüglich der Natur der Engel gesagt: ,,Sie (die Auferstandenen) können nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich geworden… sind“ (Lk 20,36).

3. Insofern die Engel Wesen von geistiger Natur sind, sind sie mit Verstand und freiem Willen ausgestattet, genau wie der Mensch, aber von höherem Grad als dieser, und doch auch nur in begrenzter, endlicher Weise infolge der Grenzen, die allen Geschöpfen eigen sind.

Die Engel sind also personale Wesen und darum wie der Mensch ebenfalls ,,Bild und Gleichnis“ Gottes. Die Heilige Schrift gibt den Engeln auch Benennungen, und zwar nicht nur persönliche wie die Eigennamen Gabriel, Rafael und Michael, sondern auch Gattungsnamen wie die Bezeichnungen Serafim, Kerubim, Throne, Mächte, Gewalten, Fürsten; die Heilige Schrift unterscheidet auch zwischen Engeln und Erzengeln.

Wenn wir die analogisierende und darstellende Ausdrucksweise des heiligen Textes berücksichtigen, so können wir daraus entnehmen, dass diese personalen Wesen fast wie in Gesellschaften gruppiert sind und sich nach Ordnungen und Abstufungen einteilen lassen, entsprechend dem Maß ihrer Vollkommenheit und den ihnen anvertrauten Aufgaben. Frühe Autoren wie Dionysios der Areopagite sprechen ferner —wie es auch die Liturgie der Kirche tut – von neun Engelchören. Die Theologie, besonders die patristische und die mittelalterliche, hat diese Darstellungsweise nicht zurückgewiesen, sondern versucht, ihr eine lehrmäßige und mystische Erklärung zu geben, ohne ihr jedoch einen absoluten Wert beizumessen.

Der heilige Thomas von Aquin hat es vorgezogen, das Erkennen und Wollen und die Erhebung dieser reinen Geister in die Übernatur tiefer zu erforschen, sei es in bezug auf ihre Würde auf der Stufenleiter der Geschöpfe, sei es in bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten und Tätigkeiten, um daraus das, was dem Geist an sich zu eigen ist, besser und gründlicher zu erforschen und um daraus dann Licht zu empfangen über die Grundprobleme, die von jeher das menschliche Denken bewegen und anregen: die Erkenntnis, die Liebe, die Gelehrigkeit Gott gegenüber, die Vollendung seines Reiches.

4. Das Thema, das wir berührt haben, mag heutigen Menschen fern liegen oder für das Leben wenig wichtig vorkommen. Und doch glaubt die Kirche, dem Menschen damit einen großen Dienst zu erweisen, wenn sie freimütig die ganze Wahrheit vom Schöpfergott, auch vom Erschaffer der Engel, vorlegt.

Der Mensch ist überzeugt, dass sich in Christus, dem Gottmenschen, der Mittelpunkt der göttlichen Offenbarung befindet. Die Engel sind nicht im Mittelpunkt. Dabei aber wird die im Glauben vollzogene Begegnung mit der Welt der reinen Geistwesen für den Menschen zu einer kostbaren Offenbarung seiner eigenen, nicht nur leiblichen, sondern auch geistigen Natur und seines Einbezogenseins in einen wahrhaft großartigen und wirksamen Heilsplan mit einer Gemeinschaft von personalen Wesen, die für den Menschen und mit dem Menschen den Plänen der göttlichen Vorsehung dienen.

5. Wir stellen fest, dass die Heilige Schrift und die Tradition speziell jene Geistwesen als Engel bezeichnet, die bei der grundlegenden Prüfung sich in freier Entscheidung für Gott, für seine Ehre und für sein Reich, entschieden haben. Sie sind mit Gott verbunden in der verzehrenden Liebe, die aus der beseligenden Schau der heiligsten Dreifaltigkeit von Angesicht zu Angesicht hervorgeht. Jesus selbst hat gesagt: ,,Die Engel schauen stets das Antlitz meines himmlischen Vaters im Himmel“ (Mt 18,10). Dieses ,,stets das Antlitz des Vaters im Himmel schauen“ ist höchster Ausdruck der Anbetung Gottes, ja man kann sagen, es stellt jene ,,himmlische Liturgie“ dar, die im Namen des gesamten Universums vollzogen wird und die sich unaufhörlich mit der irdischen Liturgie der Kirche verbindet, vor allem in den Höhepunkten der Liturgiefeier: Es sei nur daran erinnert, dass die Kirche sich täglich, ja sogar stündlich über die ganze Welt hin zu Beginn des eucharistischen Hochgebetes im Herzstück der heiligen Messe auf die Engel und Erzengel beruft, um das Lob des dreimal heiligen Gottes zu singen und sich so mit jenen ersten Anbetern Gottes in der Verehrung und liebenden Anerkennung des unaussprechlichen Geheimnisses seiner Heiligkeit zu vereinen.

6. Wie uns die göttliche Offenbarung auch noch kundtut, sind die Engel, die am dreifaltigen Leben Gottes im Glorienlicht Anteil haben, auch dazu berufen, an der Heilsgeschichte der Menschen Anteil zu nehmen; vor allem in jenen Augenblicken, die vom Plan der Göttlichen Vorsehung besonders festgesetzt sind. Der Verfasser des Hebräerbriefes fragt: ,,Sind sie (die Engel) nicht alle dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen (Hebr 1,14)?.

Das glaubt und lehrt die Kirche aufgrund der Heilige Schrift, aus der wir erfahren, dass der Schutz der Menschen und die Sorge um ihr Heil Aufgabe der guten Engel ist. Das finden wir an verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift zum Ausdruck gebracht, z.B. im Psalm 90/91: ,,Er (Gott) befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“ (Ps 90/91, 11—12). Als Jesus einmal von den Kindern sprach und die Mahnung gab, ihnen kein Ärgernis zu geben, berief er sich auf ,,ihre Engel“ (Mt 18,10). Er schrieb überdies den Engeln Zeugnisfunktion im Endgericht Gottes über das Los derer zu, die Christus anerkannt oder zurückgewiesen haben: ,,Wer sich vor den Menschen zu Mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen. Wer Mich aber vor den Menschen verleugnet, der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden“ (Lk 12, 8-9; vgl. auch Offb 3,5). Diese Worte sind bedeutungsvoll, denn wenn die Engel am Gericht Gottes teilnehmen, so sind sie am Leben des Menschen interessiert, ein Interesse und eine Anteilnahme ist das, wie dies in der Rede Jesu über die Endzeit, in der Er die Engel auch bei der Parusie, bei seiner endgültigen Wiederkunft am Ende der Geschichte, beteiligt sein lässt, besonders unterstrichen wird.

Unter den Büchern des Neuen Testamentes lässt uns besonders die Apostelgeschichte einige Tatsachen erkennen, die bezeugen, dass und wie die Engel um den Menschen und sein Heil besorgt sind. So, wenn ein Engel Gottes die Apostel aus dem Gefängnis befreit (vgl. Apg 5, 18—20), vor allem auch Petrus befreit, der von Herodes mit dem Tod bedroht war (vgl. Apg 12, 5—10); oder wenn ein Engel den heiligen Petrus bei all dem führt und leitet, was dieser hinsichtlich des Hauptmanns Kornelius, des ersten aus dem Heidentum Bekehrten, unternimmt. Ähnliches gilt von dem, was Philippus auf der Straße von Jerusalem nach Gaza getan hat (Apg 8, 26—29).

Mit Hilfe dieser wenigen beispielhaft angeführten Tatsachen lässt sich verstehen, dass sich im Bewusstsein der Kirche die Überzeugung herausbilden konnte, dass den Engeln zugunsten der Menschen ein Dienst anvertraut ist. Darum bekennt die Kirche ihren Glauben an die Schutzengel und verehrt sie mit einem eigenen Fest und empfiehlt uns, wir sollten uns ihnen häufig im Gebet anvertrauen, etwa in den bekannten Anrufungen des Schutzengels. Es ist, als ob solche Gebete sich die schönen Worte des heiligen Basilius zu eigen machten: ,,Jeder Gläubige hat einen Engel als Beschützer und Hüter neben sich, der ihn zum Leben führen soll. (vgl. Basilius, Adv. Eunomium, III,1; vgl. auch Thomas v. Apuin, Summa Theologica I, qu.11, a3.) Abschließend sei noch die Gelegenheit wahrgenommen und bemerkt, dass die Kirche in ihrer Liturgie drei Engel besonders verehrt; sie werden in der Heiligen Schrift mit Namen genannt. Der erste ist der Erzengel Michael (vgl. Dan 10, 13—20; Offb 12,7; Jud 7). Sein Name drückt zusammenfassend die wesentliche Haltung der guten Geister aus:

,,Mica-El“ heißt nämlich ,,Wer ist wie Gott?“ In diesem Namen finden wir also die heilbringende Entscheidung ausgedrückt, dank welcher die Engel ,,das Antlitz des himmlischen Vaters schauen‘‘. Der zweite ist Gabriel, eine Gestalt, die vor allem mit dem Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes verbunden ist (vgl. Lk 1, 19—26). Sein Name bedeutet: ,,Meine Macht ist Gott“ oder ,,Macht Gottes“, als ob er sagen wollte, das auf dem Höhepunkt der Schöpfung die Menschwerdung das erhabenste Zeichen des allmächtigen Vaters darstellt. Der dritte Erzengel schließlich heißt Rafael: ,,Rafa-El“ bedeutet: ,,Gott heilt“. Er ist uns bekannt geworden aus der Geschichte des Tobias im Alten Testament (vgl. Tob 12, 15—20 usw.). Diese Geschichte ist so bedeutsam im Hinblick darauf, dass wir die kleinen Kinder Gottes, die immer der Obhut, der Sorge und des Schutzes bedürfen, den Engeln anvertrauen.

Wenn wir ein wenig darüber nachdenken, sehen wir dass aus jeder dieser drei Gestalten Mica-EL, Gabri-EL und Rafa-EL auf besondere Weise die Wahrheit aufleuchtet, die in der vom Verfasser des Hebräerbriefes gestellten Frage enthalten ist: ,,Sind sie (die Engel) nicht alle dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen“ (Hebr 1,14)?

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5. Engel-Katechese: General Audienz vom 13. August 1986

Der Fall der rebellierenden Engel

1. Wir wollen das Thema der letzten Katechesen, die dem Glaubensartikel über die Engel als Geschöpfe Gottes gewidmet waren, fortsetzen und uns noch näher mit der Untersuchung des Geheimnisses der Freiheit befassen, von der einige Engel einen Gebrauch gemacht haben, der gegen Gott und seinen Heilsplan hinsichtlich der Menschen gerichtet war.Wie der Evangelist Lukas bezeugt, sprach Jesus in jenem Augenblick, als die Jünger voll Freude über die bei ihrer Probemission geernteten Früchte zum Meister zurückkehrten, einen Satz aus, der zum Nachdenken anregt: ,Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen‘ (Lk 10,18). Mit diesen Worten bestätigt der Herr, dass die Verkündigung des Reiches Gottes immer einen Sieg über den Teufel darstellt, aber zugleich zeigt er auch, dass der Aufbau dieses Reiches fortwährend den Nachstellungen des Bösen Feindes ausgesetzt ist. So ist die Aufmerksamkeit darauf zu richten, sich auf den Zustand des Kampfes einzustellen, der in diesem letzten Zeitabschnitt der Heilsgeschichte zum Leben der Kirche gehört, wie es das Buch der Geheimen Offenbarung des Johannes bestätigt. (vgl. 12,7: ,,Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen…“). Anderseits erlaubt uns diese Katechese, den rechten Glauben der Kirche klarzustellen gegenüber jenen, die ihn verzerrt darstellen, indem sie die Bedeutung des Teufels übertreiben, und gegenüber jenen anderen, die die Existenz des Teufels leugnen oder seine schädliche Macht und Tätigkeit verharmlosen.

Die vorausgegangenen Katechesen über die Engel haben uns darauf vorbereitet, die in der Heiligen Schrift geoffenbarte und von der Tradition der Kirche uns überlieferte Lehre vom Satan, dem gestürzten Engel, dem bösen Geist, der auch Teufel oder Dämon heißt, zu verstehen.

2. Der ,, Sturz“ des Teufels, gekennzeichnet durch die Ablehnung Gottes und den daraus folgenden Zustand der Verdammung, besteht in der freien Entscheidung jener geschaffenen Geister, die radikal und unwiderruflich Gott und sein Reich zurückgewiesen, sich Gottes Herrscherrechte angemaßt und versucht haben, die Heilsökonomie und die Ordnung alles Geschaffenen umzukehren. Ein Ausdruck dieser Haltung findet sich in den Worten des Versuchers, die er zu den Stammeltern sprach: ,,Ihr werdet wie Gott“, oder ,,wie Götter“ (vgl. Gen 3,5). So versucht der böse Geist jene Haltung der Rivalität, der Widersetzlichkeit und der Opposition gegen Gott, die gleichsam zur Begründung seiner ganzen eigenen Existenz geworden ist, den Menschen einzupflanzen.

3. Was das Alte Testament im Buch Genesis über den Sturz des Menschen berichtet, deutet auf die Haltung der Gegnerschaft hin, die Satan in den Menschen hineintragen will, um ihn zum Zuwiderhandeln zu bringen (vgl. Gen 3,5). Auch im Buch Job (1,11; 2,5—7) lesen wir, dass Satan den Versuch macht, den Menschen, der leidet, zur Auflehnung gegen Gott aufzustacheln. Im Buch der Weisheit (2,24) wird Satan als Urheber des Todes vorgestellt, der zusammen mit der Sünde in die Geschichte des Menschen eingetreten ist.

4. Auf dem IV. Laterankonzil hat die Kirche gelehrt, dass der Teufel (Satan) und die anderen Dämonen ,,von Gott gut geschaffen wurden, aber durch ihren eigenen Willensentscheid böse geworden sind“. Im Judasbrief (Vers 6) lesen wir: ,,Die Engel, die ihren hohen Rang missachtet und ihren Wohnsitz verlassen haben, hat er mit ewigen Fesseln in der Finsternis eingeschlossen, um sie am großen Tag zu richten.“ Ähnlich wird im zweiten Petrusbrief (2,4) von Engeln gesprochen, ,,die gesündigt haben“ und die Gott ,,nicht verschont, sondern in die finsteren Höhlen der Unterwelt verstoßen“ hat und sie ,,dort eingeschlossen hält bis zum Gericht“. Es ist nun klar: Wenn Gott die Sünde der Engel ,,nicht verzeiht“, so tut Er das, weil sie in ihrer Sünde bleiben und weil sie auf ewig in den ,,Fesseln“ jener Entscheidung sind, die sie am Anfang, als sie Gott ablehnten, gegen die Wahrheit des höchsten und endgültigen Gutes, gegen Gott selbst getroffen haben. In diesem Sinn schreibt der heilige Johannes über den Teufel: ,,Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit, denn es ist keine Wahrheit in ihm“ (Joh 8,44). ,Der Teufel sündigt von Anfang an“, heißt es im 1. Johannesbrief (3,8).

5. Diese Schrifttexte helfen uns, die Natur und das Ausmaß der Sünde Satans zu verstehen. Sie besteht in der Ablehnung der Wahrheit von Gott, der im Lichte des Verstandes und der übernatürlichen Wortoffenbarung als das unendliche Gut, als die wesenhafte Liebe und Heiligkeit erkannt wird. Diese Sünde war umso größer, je größer die geistige Vollkommenheit und der erkennende Scharfblick des Intellekts der Engel und je größer ihre Freiheit und ihre Gottesnähe waren. Indem der Satan die erkannte Wahrheit von Gott durch einen Akt seines freien Willens ablehnte, wurde er zum kosmischen ,,Lügner“ und ,Vater der Lüge“ (Joh 8,44). Darum lebt er in der radikalen, nicht mehr umkehrbaren Verneinung Gottes und sucht der Schöpfung und in ihr den anderen als Abbild Gottes geschaffenen Wesen, besonders den Menschen, seine tragische Lüge über jenes Gut, das Gott selber ist, aufzunötigen.

Im Buch Genesis finden wir eine genaue Beschreibung dieser Lüge und der Verfälschung der Wahrheit von Gott, die Satan in Gestalt der Schlange den ersten Vertretern des Menschengeschlechtes aufzudrängen suchte: Gott sei eifersüchtig auf seine Vorzüge und lege dem Menschen Einschränkungen auf. Satan fordert den Menschen auf, sich von dem ihm auferlegten Joch zu befreien und ,wie Gott“ zu werden.

6. In diesem Zustand existentieller Lüge wird Satan – nach dem Wort des heiligen Johannes – auch zum Mörder, d.h. zum Zerstörer des übernatürlichen Lebens, das Gott im Anfang ihm und den anderen als Abbild Gottes erschaffenen Wesen verliehen hatte, nämlich den anderen reinen Geistwesen und den Menschen. Der Satan will das Leben nach der Wahrheit, das Leben in der Fülle des Guten, das übernatürliche Gnadenleben und das der Liebe zerstören. Der Verfasser des Buches der Weisheit hat geschrieben: ,,Durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt, und ihn erfahren alle, die ihm angehören“ (Weish 2,24). Im Matthäus-Evangelium (10,28) mahnt Jesus Christus: „…fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib in das Verderben der Hölle stürzen kann!“

7. Als Folge der Sünde der Stammeltern hat dieser gestürzte Engel in einem gewissen Maß die Herrschaft über den Menschen gewonnen. Diese Lehre hat die Kirche immer ausdrücklich bekannt und verkündet; das Konzil von Trient (vgl. DS 1511) hat sie im Kapitel über die Erbsünde bestätigt; sie findet in der Taufliturgie einen dramatischen Ausdruck, wenn der Katechumene aufgefordert wird, dem Teufel und seinen Verführungen zu widersagen.
Verschiedene Hinweise auf diese teuflische Beeinflussung des Menschen in seiner geistigen und sogar körperlichen Verfassung finden wir in der Heiligen Schrift, wo der Satan ,,der Herrscher dieser Welt (vgl. Joh 12,31; 14,30; 16,11), ja sogar ,,Gott dieser Weltzeit“ (2 Kor 4,4) genannt wird. Noch viele andere Namen gibt es, die die unheilvollen Beziehungen des Teufels zum Menschen beschreiben: ,,Beelzebub“ oder ,,Belial“, „unreiner Geist“, ,,der Böse“ und schließlich ,,der Antichrist“ (1 Joh 4,3). Er wird mit einem Löwen verglichen (1 Petr 5,8), mit einem Drachen (vgl. Offb 12,3.4.7.9.13.15.17; 13,2.4.11; 16,13,20,3) und mit einer Schlange (vgl. Gen 3). Sehr oft wird das Wort „diabolos“ = Teufel gebraucht, um ihn zu benennen; dabei kommt dieses Wort vom griechischen Zeitwort ,,diabállein“ in der Bedeutung von Zerstörung und Spaltung verursachen, verleumden, täuschen. Und wirklich geschieht ja das alles seit jeher durch den Bösen Feind, den die Heilige Schrift als Person vorstellt; er beteuert dabei, nicht allein zu sein: ,,Wir sind viele“, schreien die Dämonen im Gebiet der Gerasener Jesus entgegen (Mk 5,9); Jesus aber spricht bei der Beschreibung des zukünftigen Gerichts vom ,,Teufel und seinen Engeln“ (vgl. Mt25,41).

8. Nach der Heiligen Schrift des Alten und besonders des Neuen Testaments umfassen Herrschaft und Einflussnahme Satans und der anderen bösen Geister die ganze Welt. Wir denken da an das Gleichnis Jesu vom Acker, der die Welt ist, an das Gleichnis vom guten Samen und vom Unkrautsamen, den der Teufel mitten unter den Weizen in der Absicht sät, die gute Saat in den Herzen zu vernichten (vgl. Mt 13,38—39). Wir denken auch an die zahlreichen Mahnungen zur Wachsamkeit (vgl. Mt 26,41; 1 Petr 5,8), an das Gebet und das Fasten (vgl. Mt 17,21) und denken an die nachdrückliche Versicherung des Herrn Jesus:
,,Diese Art von Dämonen kann nur durch Gebet ausgetrieben werden“ (Mk 9,29).

Die Tätigkeit Satans besteht vor allem darin, die Menschen zum Bösen zu verführen, indem er ihr Vorstellungsvermögen und ihre höheren Fähigkeiten beeinflusst, um sie in die dem Gesetz Gottes entgegengesetzte Richtung zu lenken. Satan stellte sogar Jesus auf die Probe (vgl. Lk 4,3—13) mit dem extremen Versuch, den Forderungen der Heilsökonomie, so wie sie von Gott geplant war, entgegenzuarbeiten.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Böse Feind es in gewissen Fällen so weit treibt, seinen Einfluss nicht nur auf materielle Dinge, sondern auch auf den Leib des Menschen auszuüben. Man spricht dann von ,,Besessenheit durch den Teufel“ (vgl. Mk 5,2—9). Es ist oft schwierig, das Außernatürliche, das in solchen Fällen vorkommt, zu unterscheiden, die Kirche versteht sich nicht leicht dazu und gibt nicht leicht der Tendenz nach, viele Tatsachen der direkten Intervention des Teufels zuzuschreiben. Aber vom Prinzip her kann man es nicht verneinen, dass der Satan in seinem Wollen, zu schaden und zum Bösen zu verführen, es zu dieser extremen Bekundung seiner Gewalt bringen kann.

9. Schließlich müssen wir noch hinzufügen, dass die beeindruckenden Worte des Apostels Johannes: ,,Die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen“ (1 Joh 5,19) auch auf die Präsenz (Anwesenheit) Satans in der Geschichte der Menschheit hindeuten, eine Präsenz, die sich allmählich zuspitzt, wenn der Mensch und die Gesellschaft sich von Gott entfernen. Der Einfluss des bösen Geistes kann ganz tief im Dunkeln verborgen am Werk sein; es entspricht ja seinen Interessen, unerkannt zu bleiben. Die besondere Gewandtheit des Teufels in dieser Welt besteht darin, die Menschen dazu zu verführen, seine Existenz zu leugnen, und zwar im Namen des Rationalismus und eines jeden derartigen Denksystems, das alle möglichen Ausflüchte sucht, um ja nicht das Wirken des Teufels zugeben zu müssen. Das bedeutet aber nicht, dass dem Menschen sein freier Wille und die Verantwortung genommen und das Heilswirken Christi hinfällig würde. Es handelt sich vielmehr um einen Konflikt zwischen den finsteren Gewalten des Bösen und der Kraft der Erlösung. In dieser Hinsicht sind die Worte Jesu zu Petrus am Beginn der Passion vielsagend: „…Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt“ (Lk 22,31).

Darum begreifen wir, wie Jesus das Gebet, das Er uns gelehrt hat, das Vaterunser, das das Gebet vom Gottesreich ist, fast herb abschließt, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Gebeten seiner Zeit. Er erinnert uns an unsere Lage als solche, die den Nachstellungen des Bösen, des Widersachers, ausgesetzt sind. Der Christ, der im Namen Jesu den Vater im Himmel anruft und um das Kommen seines Reiches bittet, ruft mit der Kraft des Glaubens: Lass uns nicht in der Versuchung unterliegen, erlöse uns von dem Bösen! Gib, Herr, dass wir nicht in die Untreue fallen, zu der uns jener verführen möchte, der von Anfang an untreu war.

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6. Engel-Katechese: General Audienz vom 20. August 1986

Der Sieg Christi besiegt das Böse

1. Unsere Katechesen über Gott, den Schöpfer der ,,unsichtbaren“ Dinge, haben uns dazu geführt, unseren Glauben, soweit er die Wahrheit über den Bösen oder den Satan betrifft, zu klären und zu stärken. Der Böse war sicherlich nicht von Gott, der höchsten Liebe und Heiligkeit, gewollt, und die weise und starke göttliche Vorsehung weiß unser Dasein zum Sieg über den Fürsten der Finsternis zu führen. Der Glaube der Kirche lehrt uns ja, dass die Macht Satans nicht unendlich ist. Er ist nur ein Geschöpf, als reines Geistwesen zwar mächtig, aber doch immer ein Geschöpf, mit den Grenzen des Geschöpfes, dem Willen und der Herrschaft Gottes unterworfen. Wenn Satan in der Welt aus Hass gegen Gott und sein Reich am Werk ist, dann ist ihm das von der göttlichen Vorsehung zugestanden, die mit Macht und Güte (,fortiter et suaviter“) die Geschichte des Menschen und der Welt lenkt. Wenn die Machenschaften Satans gewiss auch den einzelnen und der Gesellschaft viel Schaden zufügen — geistiger und indirekt auch körperlicher Natur —, so ist er aber doch nicht imstande, die endgültige Bestimmung, auf die hin der Mensch und die ganze Schöpfung angelegt sind, nämlich das Gute, zunichte zu machen. Er kann den Aufbau des Gottesreiches nicht verhindern, in welchem am Ende die Gerechtigkeit und Liebe des Vaters zu den von Ewigkeit her im Sohn, dem göttlichen Wort, vorherbestimmten Geschöpfen zu voller Verwirklichung kommen. Wir können sogar mit dem heiligen Paulus sagen, dass selbst das Werk des Bösen schließlich zum Guten führt (vgl. Röm 8,28) und den Auserwählten zum Ruhm gereicht.

2. So kann die ganze Geschichte der Menschheit im Dienst der sich vollziehenden allumfassenden Erlösung gesehen werden, die geprägt ist vom Sieg Christi über den ,,Herrscher dieser Welt“ (Joh 12,31; 14,30; 16,11). ,,Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Lk 4,8), ist die unumstößliche Antwort Christi an den Satan. In einem dramatischen Augenblick seines Dienstes, als ihn jemand herausfordernd beschuldigte, die Dämonen auszutreiben, weil er mit Beelzebub, dem Anführer der Dämonen, verbündet sei, antwortet Jesus mit den ernsten und doch auch tröstlichen Worten: ,,Jedes Reich, das in sich gespalten ist, geht zugrunde, und keine Stadt und keine Familie, die in sich gespalten ist, wird Bestand haben. Wenn also der Satan den Satan austreibt, dann liegt der Satan mit sich selbst im Streit. Wie kann sein Reich dann Bestand haben?… Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen‘ (Mt 12,25—26; 28). ,Solange ein bewaffneter starker Mann seinen Hof bewacht, ist sein Besitz sicher; wenn ihn aber ein Stärkerer angreift und besiegt, dann nimmt ihm der Stärkere all seine Waffen weg, auf die er sich verlassen hat, und verteilt die Beute“ (Lk 11,21—22). Die Worte, die Christus in bezug auf den Satan sprach, finden ihre geschichtliche Erfüllung im Kreuz und in der Auferstehung des Erlösers. Wie wir im Brief an die Hebräer lesen, hat Christus das menschliche Dasein geteilt bis hin zum Kreuz, „um durch seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die… der Knechtschaft verfallen waren“ (Hebr 2,14—15). Das ist die große Gewissheit des christlichen Glaubens: ,,Der Herrscher dieser Welt ist gerichtet“ (Joh 16,11); ,,der Sohn Gottes ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören“ (1 Joh 3,8), wie uns der heilige Johannes bestätigt. Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, hat sich also als jener ,Stärkere“ geoffenbart, der den ,,starken Mann“, den Teufel, besiegt und dem er die Gewalt genommen hat.
Die Kirche hat Anteil am Sieg Christi über den Teufel: Christus hat in der Tat seinen Jüngern die Gewalt gegeben, Dämonen auszutreiben (vgl. Mt 10,1 und parallel Mk 16,17). Die Kirche übt diese sieghafte Gewalt aus durch den Glauben an Christus und durch das Gebet (vgl. Mk 9,29; Mt 17‘19f), das in bestimmten Fällen die Form des Exorzismus annehmen kann.

3. Diese geschichtliche Phase des Sieges Christi ist von der Ankündigung und dem Beginn des Endsieges, der Parusie, geprägt, des zweiten und endgültigen Kommens Christi am Schluss der Geschichte, auf das hin das Leben des Christen entworfen ist. Wenn es auch wahr ist, dass die irdische Geschichte weiterhin abläuft unter dem Einfluss ,,jenes Geistes, der“ —wie der heilige Paulus sagt — ,in den Ungehorsamen wirksam ist“ (Eph 2,2), so wissen die Gläubigen doch, dass sie dazu berufen sind, für den endgültigen Sieg des Guten zu kämpfen: ,,Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs“ (Eph 6,12).

4. Der Kampf wird allmählich, wenn es dem Ende zugeht, in gewissem Sinn immer heftiger, wie es vor allem die Offenbarung des heiligen Johannes hervorhebt, das letzte Buch des Neuen Testamentes (vgl. Offb 12,7—9). Aber gerade dieses Buch betont die Gewissheit, die uns von der ganzen göttlichen Offenbarung gegeben ist: dass nämlich der Kampf mit dem endgültigen Sieg des Guten endet. In diesem Sieg, der bereits im voraus im Ostergeheimnis Christi enthalten ist, erfüllt sich definitiv die erste Ankündigung aus dem Buch Genesis, die den bezeichnenden Namen Protoevangelium trägt. Darin hält Gott der Schlange entgegen: ,,Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau“ (Gen 3,15). In dieser entscheidenden Phase wird Gott das Geheimnis seiner väterlichen Vorsehung zur Vollendung bringen und jene ,,der Macht der Finsternis entreißen“, die er ewig ,,in Christus vorausbestimmt hat“, und wird sie ,in das Reich seines geliebten Sohnes aufnehmen“ (vgl. Kol 1,13-14). Dann wird der Sohn dem Vater auch das ganze Universum unterwerfen, damit ,, Gott herrscht über alles und in allem“ (1 Kor 15,28).

5. Hier schließen die Katechesen über Gott, den Schöpfer der ,,sichtbaren und unsichtbaren Dinge“, die wir in der Anordnung unserer Darlegungen mit der Wahrheit über die göttliche Vorsehung verbunden hatten. In den Augen des Glaubenden ist ganz offensichtlich das Geheimnis vom Anfang der Welt und der Geschichte unlösbar verbunden mit dem Geheimnis des Endes, in dem alles Erschaffene seiner Bestimmung gemäß zur Erfüllung kommt. Das Credo, das viele Wahrheiten so organisch verbindet, ist wirklich die harmonisch aufgebaute Kathedrale unseres Glaubens. In fortschreitender und organischer Weise konnten wir staunend das große Geheimnis der Weisheit und Liebe Gottes in seinem Handeln als Schöpfer des Kosmos, der Menschen und der Welt der reinen Geistwesen, bewundern. Wir haben den trinitarischen Urgrund dieses Handelns betrachtet, die weise Zielbestimmung für das Leben des Menschen, der ein wahres ,Abbild Gottes“ ist und berufen, seine volle Würde in der Anschauung der göttlichen Herrlichkeit zu finden. Wir haben Licht empfangen über eines der größten Probleme, die den Menschen beunruhigen und von denen seine Suche nach der Wahrheit erfüllt ist: das Problem des Leidens und des Bösen. An dessen Wurzel steht nicht eine Fehlentscheidung von Seiten Gottes, sondern sein Wunsch und in gewisser Weise sein Wagnis, uns als Freie zu erschaffen, um uns als Freunde zu haben. Aus der Freiheit ist das Böse hervorgegangen. Aber Gott gibt nicht nach, und in seiner transzendenten Weisheit bestimmt er uns zu seinen Söhnen und Töchtern in Christus und leitet alles mit Macht und Milde, damit das Gute nicht vom Bösen besiegt wird.

Nun müssen wir uns von der göttlichen Offenbarung bei der Untersuchung anderer Geheimnisse unserer Erlösung führen lassen. Einstweilen haben wir eine Wahrheit in uns aufgenommen, die jedem Christen am Herzen liegen muss: die Existenz reiner Geistwesen, Geschöpfe Gottes, die im Anfang alle gut waren und sich dann durch eine sündhafte Entscheidung der einen unwiderruflich in Engel des Lichtes und Engel der Finsternis getrennt haben. Und während die Existenz der bösen Engel uns zur Wachsamkeit aufruft, damit wir nicht ihren Verlockungen nachgeben, sind wir gewiss, dass die siegreiche Macht Christi, des Erlösers, unser Leben umgibt, damit auch wir siegen. Dabei helfen uns kräftig die guten Engel, die Boten der Liebe Gottes, an die wir unser Gebet richten, wie es die Überlieferung der Kirche uns lehrt: ,,Engel Gottes, mein Beschützer, erleuchte, bewahre, leite und regiere mich, der ich von Gottes Vatergüte dir anvertraut bin. Amen.“

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Homilie bei der Wallfahrt zum Monte Gargano am 24. Mai 1987

Sankt Michael – Beschützer und Verteidiger der Kirche

1. Es ist mir eine Freude, heute (24. Mai 1987) in eurer Mitte zu weilen im Schatten dieses dem Erzengel Michael geweihten Heiligtums, das seit 15 Jahrhunderten Ziel von Pilgerfahrten und Bezugspunkt derer ist, die Gott suchen und Christus nachfolgen wollen, «denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten» (Kol l, 16). Herzlich grüße ich euch alle, ihr Pilger, die ihr aus dem Umkreis des Gargano, dieses wunderbaren Gebirgszuges, gekommen seid, der dem Blick des Besuchers reizvolle Ausblicke auf die liebliche, blühende Landschaft mit ihren charakteristischen Gruppen knorriger Ölbäume auf den Felsen bietet.

2. Wie einst viele meiner Vorgänger auf dem Stuhl Petri bin auch ich hierher gekommen, um einen Augenblick lang die diesem Heiligtum eigene Atmosphäre – Schweigen, Gebet und Buße – zu genießen; ich bin gekommen, um den Erzengel Michael zu verehren und ihn anzurufen, damit er die Kirche in einem Moment schütze und verteidige, in dem es schwierig ist, ein authentisches christliches Zeugnis ohne Kompromisse oder Halbheiten zu geben.

Seit Papst Gelasius I. im Jahr 493 gestattete, die Grotte der Erscheinungen des Erzengels Michael als Gottesdienststätte zu gestalten, ihr auch selbst seinen ersten Besuch abstattete und dabei den Ablass «Perdono angelico» gewährte, sind viele Päpste seinen Spuren gefolgt und haben diesen heiligen Ort verehrt. Zu ihnen zählt man Agapitus I., Leo IX., Urban II., Innozenz II., Cölestin III., Urban VI-, Gregor IX., den heiligen Petrus Cölestinus und Benedikt IX. Auch zahlreiche Heilige sind hierher gekommen, um Kraft und Trost zu schöpfen: ich möchte den heiligen Bernhard, den heiligen Wilhelm von Vercelli – den Gründer der Abtei Montevergine -, den heiligen Thomas von Aquin und die heilige Katharina von Siena nennen. Mit Recht berühmt geworden und immer noch in lebhafter Erinnerung ist der Besuch des heiligen Franz von Assisi, der zur Vorbereitung auf die Fastenzeit 1221 hierher kam. Die Überlieferung berichtet, dass er, der sich nicht für würdig hielt, in die heilige Grotte einzutreten, bei ihrem Eingang stehen blieb und auf einem Stein ein Kreuzzeichen einritzte.

Dieser lebendige und nie unterbrochene Strom berühmter und einfacher Pilger, der seit dem Hochmittelalter bis in unsere Tage aus diesem Heiligtum einen Ort der Begegnung im Gebete und der Stärkung des christlichen Glaubens gemacht hat, bezeugt, wie sehr die Gestalt des Erzengels Michael, Hauptfigur vieler Seiten des Alten und Neuen Testaments, vom Volk verehrt und angerufen wird, und wie sehr die Kirche seines himmlischen Schutzes bedarf, des Schutzes dessen, der in der Bibel als der große Kämpfer gegen den Drachen, den Anführer der Dämonen, vorgestellt wird. Wir lesen in der Offenbarung: «Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten, und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel und Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt, und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen»(Offb 12,7-9). Der Autor des heiligen Textes legt uns in dieser dramatischen Beschreibung den Fall des ersten Engels vor, der vom Ehrgeiz verführt wurde, «wie Gott» zu werden. So erklärt sich auch die Reaktion des Erzengels Michael, dessen hebräischer Name «Wer ist wie Gott?» das Eintreten für die Einzigkeit und Unverletzbarkeit Gottes zum Ausdruck bringt.

3. Die Angaben der Offenbarung über die Persönlichkeit und die Rolle des heiligen Michael sind zwar lückenhaft, aber sehr beredt. Er ist der Erzengel (Jud 9), der sich für die unveräußerlichen Rechte Gottes einsetzt. Er ist «der große Engelfürst, der für die Sühne des Gottesvolkes eintritt» (Dan 12,1), aus dem der Erlöser hervorgehen wird. Das neue Volk Gottes ist jetzt die Kirche. Das ist nun der Grund, warum sie Michael als ihren Beschützer und Helfer in all ihren Kämpfen für die Verteidigung und Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden betrachtet. Wenn auch, der Versicherung des Herrn gemäß, «die Mächte der Unterwelt sie nicht überwältigen werden» (Mt 16,18), so bedeutet das jedoch nicht, dass wir keine Prüfungen und Kämpfe gegen die Hinterlist des Bösen zu bestehen haben.

In diesem Kampf steht der Erzengel Michael der Kirche zur Seite, um sie gegen alle Bosheiten der Welt zu verteidigen und den Gläubigen beim Widerstand gegen den Dämon beizustehen, der «wie ein brüllender Löwe umhergeht und sucht, wen er verschlingen kann» (l Petr 5,8).

Dieser Kampf gegen den Dämon, der die Gestalt des Erzengels Michael kennzeichnet, ist auch heute aktuell, weil der Dämon noch immer lebt und in der Welt wirkt. Tatsächlich, das Böse, das sich in ihr findet, die Unordnung in der Gesellschaft, die Widersprüchlichkeit des Menschen, die innere Zerbrochenheit, deren Opfer er ist, sind nicht nur Folgen der Erbsünde, sondern auch des verheerenden und dunklen Wirkens Satans, dieses hinterlistigen Feindes des moralischen Gleichgewichtes des Menschen, den der heilige Paulus entschieden als den «Gott dieser Weltzeit» bezeich-net, da er sich als gerissener Betörer kundtut, der es versteht, sich ins Spiel unseres Handelns einzuschleichen, um dort Abweichungen zu bewirken, die ebenso schädlich wie unseren instinktiven Wünschen scheinbar gemäß sind. Deshalb warnt der Völkerapostel die Christen vor den Hinterhalten des Dämons und seines zahlreichen Gefolges, wenn er die Bewohner von Ephesus auffordert: «Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt. Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs» (Eph 6,11-12). An diesen Kampf erinnert die Gestalt des Erzengels Michael, dem die Kirche sowohl des Ostens als auch des Westens stets besondere Verehrung entgegengebracht hat. Wie bekannt, errichtete Konstantin das erste ihm geweihte Heiligtum in Konstantinopel: das berühmte Michaelion, dem in jener neuen Hauptstadt des Reiches zahlreiche andere, dem Erzengel geweihte Kirchen folgten. Im Westen verbreitete sich die Verehrung des heiligen Michael vom 5. Jahrhundert an in vielen Städten: in Rom, Mailand, Piacenza, Genua und Venedig; die berühmteste der vielen Verehrungsstätten ist jedoch sicher die auf dem Gargano. Der Erzengel wird hier auf dem 1076 in Konstantinopel gegossenen Bronzetor dargestellt, wie er den höllischen Drachen erlegt. Dies ist das Symbol, mit dem ihn die Kunst darstellt und die Liturgie anruft. Alle erinnern sich an das Gebet, das vor Jahren am Ende der heiligen Messe gesprochen wurde: «Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe …»Ich werde dieses Gebet gleich im Namen der ganzen Kirche wiederholen.

Vorher jedoch erteile ich euch allen, die ihr hier anwesend seid, sowie euren Familien und allen Menschen, die euch teuer sind, meinen Segen, der auch all jenen gilt, die an Leib und Seele leiden.

„Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe. Gegen die Bosheit und die Nachstellung des Teufels sei unser Schutz. Gott gebiete ihm! So bitten wir flehentlich. Du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen, stürze den Satan und die anderen bösen Geister, die zum Verderben der Seelen in der Welt umherschleichen, in der Kraft Gottes hinab in die Hölle.“ (Papst Leo XIII.)

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Regina Caeli am Ostermontag, 4. April 1994

Ich möchte alle Anwesenden grüßen und einem guten Brauch gemäß etwas über den heutigen Tag sagen, den Ostermontag, der auch „Montag des Engels“ genannt wird. Warum heißt er so? Mir scheint dies eine gute Bezeichnung: „Montag des Engels“. Man muss diesem Engel, der aus der Tiefe des Grabes sagen konnte: „Er ist auferstanden!“, einen gewissen Platz einräumen.

Dieses Wort „auferstanden“ war dem Menschen so schwer zusagen, auszudrücken. Auch die Frauen, die zum Grab gingen und es leer fanden, konnten nicht sagen: „Er ist auferstanden“, sondern nur, dass das Grab leer war. Der Engel sagt mehr: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden!“ Das konnte nur der Engel sagen, so wie er einst zu Maria gesagt hatte: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn … Er wird groß sein … Sohn Gottes.“ Für den Menschenwar ein Gott-Mensch, ein Gott, der Mensch wurde, nicht denkbar. Ein vom Vater gesandterEngel musste dies Maria sagen.

Es ist aufschlussreich, dass am Ostersonntag die Frauen zum Grab gehen, Maria aber nicht. Ein polnischer Schriftsteller sagt, dass sie wahrscheinlich von den Ereignissen und den gemeinsamen Gebeten sehr mitgenommen war, und als diese drei Frauen zum Grab gingen, Maria nicht mitgehen konnte. Der gleiche Schriftsteller fügt hinzu, dass sie gewiss die erste war, die diese außerordentliche Nachricht erhalten hat. Sie hat als erste die Verkündigung der Menschwerdung vom Engel erhalten, und sie ist auch die erste, welche die Botschaft von der Auferstehung empfängt.

Davon spricht die Schrift nicht, aber es ist eine Überzeugung, die auf der Tatsache gründet, dass Maria die Mutter Christi, die treue Mutter, die auserwählte Mutter, war, und dass Christus der treue Sohn seiner Mutter war. Christus wusste wohl. Wie viel sein Tod, sein Leiden, die Mutter gekostet hat. Er wollte sie nicht allein lassen, und deshalb dachte er sogleich daran, seiner Mutter unter dem Kreuz einen anderen Sohn zu geben, einen Sohn, der sie beschützte, verteidigte. Sicher dachte Christus selbst im Augenblick der Auferstehung daran, zuerst seiner Mutter diese Nachricht, diese Ankündigung zu bringen.

Eine Überzeugung, die uns heute und während der ganzen Osterzeit sprechen, ha beten lässt: „Freu dich, du Himmelskönigin.“ Das sagte die Kirche, aber dieses „Freu dich, du Himmelskönigin“ war sozusagen die erste Verkündigung der Auferstehung, die Maria vom Engel gemacht wurde. So erklärt sich der Name des heutigen zweiten Ostertages, des „Montags des Engels.“

 

Regina Caeli, 31. März 1997 (Auszug)

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Heute ist Ostermontag. Er wird (in Italien) traditionellerweise auch Engelsmontag genannt, weil bei dem außergewöhnlichen Ereignis der Auferstehung bezeichnenderweise Engel als Handelnde neben den Frauen und den Aposteln in Erscheinung treten. Ein Engel ist es, der am leeren Grab den Frauen, die gekommen sind, den Leichnam Jesu zu salben, als ersten die Botschaft mitteilt. Er sagt zu ihnen: „ Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier“ (Mk16,6).

Außer bei der Auferstehung sind die Engel in diskreter Weise in allen wichtigsten Augenblicken des Lebens Jesu anwesend. Sie verkündigen seine Geburt (vgl. Mt1,20; Lk1,30-31; 2,10-11), sie veranlassen seine Flucht nach Ägypten und die Rückkehr in die Heimat (vgl. Mt2,13.19), sie stärken ihn am Ende der Versuchungen in der Wüste (vgl. Mt4,11) und in der Stunde des Leidens (vgl. Lk22,43); am Ende der Zeit sind sie an der Seite des Erlösers, wenn Gericht gehalten wird über die Geschichte und die Welt (vgl. Mt13,41).

2. Die Engel versehen also den Dienst am Plan Gottes in den wesentlichen Augenblicken der Heilsgeschichte. Als Gesandte Gottes sind sie Boten seines Erlöserwillens. Ihre Anwesenheit wird von der Heiligen Schrift und dem ununterbrochenen Glauben der Kirche als Zeichen eines besonderen Eingreifens der Vorsehung und als Ankündigung neuer, Erlösung und Heil bringender Realitäten gesehen. In diesem Sinn verlängert der heutige Feiertag die intensive Freude des Osterfestes. Die Liturgie wiederholt: „Das ist der Tag, den der Herr gemacht; lasst uns jubeln und seiner uns freuen.“ Die Osterbotschaft, die der göttliche Bote den Freuen verkündet hat, wird von uns durch seinen Schutzengel wiederholt: Hab keine Angst! Öffne das Herz für Christus, den Auferstandenen.“

3. Indem er uns seinen Engel zur Seite stellt, will der Herr uns in jedem Augenblick unseres Daseins mit seiner Liebe und seinem Schutz nahe sein, damit wir den guten Kampf des Glaubens kämpfen (vgl. 1 Tim6,12) und ohne Furcht und Zagen unser Bekenntnis zu Ihm ablegen können, der für unsere Erlösung gestorben und Auferstanden ist. Wir wollen die Königin der Engel und der Heiligen anrufen, damit sie für uns erwirke, dass wir dank der Hilfe unseres Schutzengels jeden Tag authentische Zeugen des Osterfestes des Herrn sein können.

Benedikt XVI. (2005 – 2013)

Predigt, IV. Adventssonntag, 18. Dezember 2005 (Auszug)

Wir wollen jetzt kurz das wunderschöne Evangelium des vierten Adventssonntags betrachten, das für mich zu den schönsten Abschnitten der Heiligen Schrift gehört. Und um es nicht zu lange zu machen, möchte ich nur über drei Worte dieses inhaltsreichen Evangeliums nachdenken.

Das erste Wort, das ich mit euch betrachten will, ist der Gruß des Engels an Maria. In der italienischen Übersetzung sagt der Engel: »Ich grüße dich, Maria!« Aber das ursprüngliche griechische Wort, »Kaire«, bedeutet eigentlich »Freue dich«, »Sei froh«. Und das ist die erste Überraschung, denn der Gruß unter den Juden war »Shalom«, »Frieden«, während der Gruß in der griechischen Welt »Kaire«, »Freue dich«, lautete. Es überrascht, dass der Engel, als er Mariens Haus betritt, mit dem Gruß der Griechen grüßt: »Kaire«, »Sei froh, freue dich«. Und als die Griechen 40 Jahre später dieses Evangelium lasen, fanden sie darin eine wichtige Botschaft: Sie konnten verstehen, dass mit dem Beginn des Neuen Testaments, auf den sich dieser Abschnitt des Lukas bezog, gleichzeitig eine Öffnung gegenüber der Völkerwelt stattgefunden hatte, gegenüber der Universalität des Volkes Gottes, das jetzt nicht mehr nur das jüdische Volk, sondern die Welt in ihrer Gesamtheit, alle Völker, umfasste. Im griechischen Gruß des Engels wird die neue Universalität des Reiches des wahren Sohnes Davids offenbar.

Es muss jedoch sofort gesagt werden, dass die Worte des Engels die Wiederaufnahme einer prophetischen Verheißung aus dem Buch des Propheten Zefanja sind. Wir finden hier diesen Gruß fast im Wortlaut wieder. Der von Gott erleuchtete Prophet Zefanja spricht zu Israel: »Freu dich, Tochter Zion; der Herr ist mit dir und wird in dir Wohnung nehmen.« Wir wissen, dass Maria die Heiligen Schriften gut kannte. Ihr Magnifikat ist ein Webstück aus Fäden des Alten Testaments. Wir können daher sicher sein, dass die heilige Jungfrau sofort verstanden hat, dass es sich hier um Worte des Propheten Zefanja handelte, die dieser an Israel gerichtet hatte, an die »Tochter Zion«, die als Wohnung Gottes betrachtet wurde. Das Überraschende ist, dass diese an ganz Israel gerichteten Worte jetzt zu ihr persönlich gesagt werden, und das gibt Maria zu denken. Und da wird ihr klar, dass gerade sie die »Tochter Zion« ist, von der der Prophet gesprochen hat, dass der Herr demnach für sie einen besonderen Plan hat, dass sie dazu berufen ist, die wahre Wohnung Gottes zu sein, eine Wohnung, die nicht aus Stein, sondern aus lebendigem Fleisch, aus einem lebendigen Herzen besteht, dass Gott als seinen wahren Tempel gerade sie, die Jungfrau, haben will. Welch eine Nachricht! Und nun können wir verstehen, dass Maria beginnt, intensiv über die Bedeutung dieses Grußes nachzudenken.

Aber verweilen wir jetzt vor allem beim ersten Wort: »freue dich, sei froh.« Es ist das erste Wort, das im Neuen Testament als solchem erklingt, denn die Verkündigung der Geburt Johannes’ des Täufers an Zacharias durch den Engel ist ein Wort, das noch an der Schwelle zwischen den beiden Testamenten erklingt. Erst mit diesem Dialog, den der Engel Gabriel mit Maria führt, beginnt das Neue Testament wirklich. Wir können also sagen, dass das erste Wort des Neuen Testaments eine Einladung zur Freude ist: »Freue dich!« Das Neue Testament ist wirklich ein »Evangelium «, die »Gute Nachricht«, die uns Freude bringt. Gott ist uns nicht fern, unbekannt, rätselhaft oder vielleicht gefährlich. Gott ist uns nahe, so nahe, dass er zu einem Kind wird, und wir dürfen »du« zu diesem Gott sagen.

Vor allem die griechische Welt hat diese Neuigkeit wahrgenommen und diese Freude tief empfunden, denn es war ihren Bewohnern nicht klar, ob es einen guten oder bösen Gott oder einfach gar keinen Gott gibt. In der damaligen Religion war von vielen Gottheiten die Rede; daher fühlten sie sich von den verschiedensten Gottheiten umgeben, die zueinander im Gegensatz standen, so dass man befürchten musste, dass die eine Gottheit gekränkt sein und sich rächen würde, wenn man etwas zugunsten einer anderen tat. Und so lebten sie in einer Welt der Angst, umgeben von gefährlichen Dämonen, ohne jemals zu wissen, wie man sich vor solchen gegensätzlichen Mächten retten könne. Es war eine Welt der Angst, eine dunkle Welt. Und jetzt hörten sie, dass gesagt wurde: »Freue dich, diese Dämonen sind ein Nichts, es gibt den wahren Gott, und dieser wahre Gott ist gut, er liebt uns, er kennt uns, er ist mit uns, so sehr mit uns, dass er sogar Fleisch geworden ist!« Das ist die große Freude, die das Christentum verkündet. Diesen Gott zu kennen, ist wirklich die »gute Nachricht«, ein Wort der Erlösung.

Vielleicht sind wir Katholiken, die wir es seit jeher wissen, nicht mehr überrascht, vielleicht nehmen wir diese befreiende Freude nicht mehr in ihrer Lebendigkeit wahr. Aber wenn wir uns die heutige Welt ansehen, in der Gott abwesend ist, müssen wir feststellen, dass sie ebenfalls von Ängsten und Unsicherheiten beherrscht wird: Ist es gut, ein Mensch zu sein oder nicht? Ist es gut zu leben oder nicht? Ist die Existenz wirklich etwas Gutes? Oder ist vielleicht alles negativ? Und die Menschen leben wirklich in einer dunklen Welt und brauchen Betäubungsmittel, um leben zu können. Deshalb ist das Wort: »Freu dich, denn Gott ist mit dir, er ist mit uns« ein Wort, das wirklich eine neue Zeit einleitet. Meine Lieben, wir müssen dieses befreiende Wort »Freue dich!« wieder im Glauben und aus tiefstem Herzen annehmen und verstehen.

Diese Freude, die man empfangen hat, kann man nicht für sich allein behalten; die Freude muß immer geteilt werden. Eine Freude muss mitgeteilt werden. Maria hat sich sogleich aufgemacht, um ihrer Verwandten Elisabeth ihre Freude mitzuteilen. Und seit sie in den Himmel aufgenommen wurde, schenkt sie in der ganzen Welt Freude, ist sie die große Trösterin geworden, unsere Mutter, die Freude, Zuversicht und Güte mitteilt und uns einlädt, ebenfalls Freude zu verbreiten. Das ist unsere wahre Aufgabe im Advent: den anderen Menschen die Freude zu bringen. Das wahre Weihnachtsgeschenk ist die Freude, nicht die teuren Geschenke, die Zeit und Geld kosten. Wir können diese Freude in ganz einfacher Weise mitteilen, durch ein Lächeln, durch eine nette Geste, durch ein wenig Hilfe, durch Vergebung. Wenn wir den anderen die Freude bringen, dann wird die Freude, die wir geschenkt haben, wieder zu uns zurückkehren. Versuchen wir vor allem, die tiefste Freude zu bringen, die Freude, Gott in Christus kennengelernt zu haben. Bitten wir darum, dass in unserem Leben diese Gegenwart der befreienden Freude Gottes sichtbar werde.

Das zweite Wort, das ich betrachten möchte, ist wieder ein Wort des Engels: »Fürchte dich nicht, Maria!« sagt er. Sie hatte wirklich allen Grund, sich zu fürchten, denn die Last der Welt auf den eigenen Schultern zu tragen, die Mutter des Königs der Welt zu sein, die Mutter des Sohnes Gottes zu sein, welch eine Last bedeutete das! Eine Last, die alle menschlichen Kräfte überstieg! Aber der Engel sagt: »Fürchte dich nicht! Ja, du trägst Gott, aber Gott trägt dich. Fürchte dich nicht!« Dieses Wort »Fürchte dich nicht!« ist sicher tief in Mariens Herz eingedrungen. Wir können uns vorstellen, dass die heilige Jungfrau später manchmal an dieses Wort zurückgedacht hat, es von neuem gehört hat. In dem Moment, als Simeon zu ihr sagt: »Dein Sohn wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen« (vgl. Lk 2,34–35), in diesem Moment, in dem die Furcht sie hätte überwältigen können, denkt Maria an die Worte des Engels und hört sie im Innern leise widerhallen: »Fürchte dich nicht, Gott trägt dich!« Und als während seines öffentlichen Lebens der Streit um Jesus entbrennt und viele sagen: »Er ist von Sinnen«, denkt sie wieder: »Fürchte dich nicht« und setzt ihren Weg fort. Als sie ihm schließlich auf dem Kreuzweg begegnet und dann auf Golgota unter dem Kreuz steht, hört sie, als alles verloren scheint, in ihrem Herzen wieder die Worte des Engels: »Fürchte dich nicht!« Und so steht sie mutig neben dem sterbenden Sohn und geht vom Glauben gestützt auf die Auferstehung, auf Pfingsten, auf die Gründung der neuen Familie der Kirche zu.

»Fürchte dich nicht!«: Maria sagt diese Worte auch zu uns. Ich habe bereits erwähnt, dass unsere Welt eine Welt der Angst ist: Angst vor Elend und Armut, Angst vor Krankheiten und Leiden, Angst vor der Einsamkeit, Angst vor dem Tod. Wir haben in unserer Welt ein hochentwickeltes Versicherungssystem, und es ist gut, dass es dies gibt. Aber wir wissen, dass uns im Augenblick schweren Leidens, im Augenblick der äußersten Todesverlassenheit keine Versicherung helfen kann. Die einzige Versicherung, die in dem Moment einen Wert hat, ist die, die vom Herrn kommt, der auch zu uns spricht: »Fürchte dich nicht, ich bin immer bei dir.« Wir können fallen, aber am Ende fallen wir in Gottes Hände, und Gottes Hände sind gute Hände.

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Generalaudienz, Mittwoch, 27. Dezember 2006

Liebe Brüder und Schwestern!

Die heutige Begegnung findet in weihnachtlicher Atmosphäre statt, die erfüllt ist von tiefer Freude über die Geburt des Herrn. Wir haben gerade – vorgestern – dieses Geheimnis gefeiert, dessen Nachklang die Liturgie dieser Tage durchzieht. Es ist ein Geheimnis des Lichtes, das die Menschen aller Zeiten im Glauben neu erleben können. In unseren Herzen hören wir die Worte des Evangelisten Johannes, dessen Fest wir heute feiern: »Et Verbum caro factum est – Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (Joh 1,14). An Weihnachten also ist Gott gekommen, um unter uns zu wohnen; er ist für uns gekommen, um bei uns zu bleiben. Eine Frage durchzieht diese 2000 Jahre christlicher Geschichte: »Aber warum hat er es getan, warum ist Gott Mensch geworden?«

Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage hilft uns der Gesang, den die Engel an der Grotte von Betlehem anstimmten: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade« (Lk 2,14). Der Gesang der Heiligen Nacht, der in das Gloria eingegangen ist, gehört inzwischen zur Liturgie, ebenso wie die anderen drei Cantica des Neuen Testaments, die Bezug nehmen auf die Geburt und auf die Kindheit Jesu: das Benedictus, dasMagnificat und das Nunc dimittis. Während diese in die morgendliche Laudes, in das abendliche Vespergebet und in das Nachtgebet der Komplet eingefügt sind, hat das Gloria seinen Platz innerhalb der heiligen Messe gefunden. Den Worten der Engel wurden seit dem 2. Jahrhundert einige Anrufungen hinzugefügt: »Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir rühmen dich und danken dir, denn groß ist deine Herrlichkeit« und später noch weitere: »Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters, du nimmst hinweg die Sünde der Welt …«, bis sich ein großer Lobgesang herausgebildet hatte, der zum ersten Mal in der Weihnachtsmesse und dann an allen Festtagen gesungen wurde. Das Gloriawurde am Beginn der Eucharistiefeier eingefügt und soll die Kontinuität unterstreichen, die zwischen der Geburt und dem Tod Christi besteht, zwischen Weihnachten und Ostern, die nicht voneinander trennbare Aspekte ein- und desselben Heilsgeheimnisses sind.

Das Evangelium berichtet, dass das große himmlische Heer der Engel sang: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade«. Die Engel verkünden den Hirten, dass die Geburt Jesu Ehre »ist« für Gott in der Höhe, und dass sie Friede auf Erden »ist« für die Menschen seiner Gnade. Zu Recht besteht daher der Brauch, zur Verdeutlichung des Weihnachtsgeheimnisses, das in der Krippe seine Erfüllung fand, diese Worte der Engel an der Grotte anzubringen. Das Wort »Ehre« (doxa) zeigt den Glanz Gottes an, der das dankbare Lob der Geschöpfe hervorruft. Der hl. Paulus wird von der »Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi « sprechen (2 Kor4,6). »Friede« (eirene) faßt die Fülle der messianischen Gaben zusammen, die Erlösung also, die, wie ebenfalls der Apostel Paulus sagt, mit Christus selbst identifiziert wird: »Denn er ist unser Friede« (Eph2,14). Schließlich gibt es noch den Hinweis auf die Menschen »seiner Gnade«. Im allgemeinen Sprachgebrauch läßt »Gnade« oder »guter Wille« (eudokia) an den »guten Willen« der Menschen denken, hier jedoch ist damit das »gute Wollen« Gottes gegenüber den Menschen gemeint, das keine Grenzen kennt. Denn das ist die Weihnachtsbotschaft: Durch die Geburt Jesu hat Gott sein gutes Wollen gegenüber allen offenbart.

Kehren wir zur Frage »Warum ist Gott Mensch geworden?« zurück. Der hl. Irenäus schreibt: »Das Wort ist zum Nutzen der Menschen Austeiler der Gnadengaben geworden, die der Vater schenkt. … Die Herrlichkeit Gottes ist der lebende Mensch – vivens homo –, das Leben des Menschen die Gottesschau« (Adv. Haer. 20,7). Gottes Ruhm offenbart sich also in der Erlösung des Menschen, den Gott – wie der Evangelist Johannes sagt – so sehr geliebt hat »dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat« (Joh3,16). Denn die Liebe ist der letzte Grund der Menschwerdung Christi. Vielsagend ist diesbezüglich die Reflexion des Theologen H. U. von Balthasar, der schrieb, dass Gott nicht in erster Linie absolute Macht ist, sondern absolute Liebe, deren Hoheit sich nicht darin offenbart, dass sie das, was ihr gehört, für sich behält, sondern in ihrer Hingabe (vgl. Theologie der drei Tage I,4). Der Gott, den wir in der Krippe betrachten, ist der Gott, der Liebe ist.

So klingt die Verkündigung der Engel für uns auch wie eine Einladung: Ehre »sei« Gott in der Höhe, Friede auf Erden »sei« den Menschen seiner Gnade. Die einzige Art und Weise, Gott zu verherrlichen und den Frieden in der Welt aufzubauen, besteht in der demütigen und vertrauensvollen Annahme der Weihnachtsgabe: der Liebe. Der Gesang der Engel kann so zu einem Gebet werden, das oft wiederholt werden muss, und nicht nur jetzt in der Weihnachtszeit. Ein Lobgesang für Gott in der Höhe und eine inständige Bitte um Frieden auf Erden, die zum konkreten Einsatz werden soll, diesen mit unserem Leben aufzubauen: Das ist die Aufgabe, die das Weihnachtsfest uns anvertraut.

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Predigt, Petersdom, Samstag, 29. September 2007 (Auszug)

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir feiern diese Bischofsweihe am Fest der drei Erzengel, die in der Schrift mit Namen erwähnt werden: Michael, Gabriel und Rafael. Dies ruft uns in Erinnerung, dass in der alten Kirche – bereits in der Geheimen Offenbarung – die Bischöfe als »Engel« ihrer Kirche bezeichnet wurden, womit eine tiefe Übereinstimmung zwischen dem Dienst des Bischofs und der Aufgabe des Engels zum Ausdruck gebracht wird. Von der Aufgabe des Engels her lässt sich der Dienst des Bischofs verstehen. Aber was ist ein Engel? Die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche lassen uns zwei Aspekte erkennen. Der Engel ist einerseits ein Geschöpf, das vor Gott steht und mit seinem ganzen Sein auf Gott ausgerichtet ist. Alle drei Namen der Erzengel enden mit dem Wort »El«, was »Gott« bedeutet. Gott ist in ihre Namen, in ihr Wesen eingeschrieben. Ihr wahres Wesen ist das Dasein vor Ihm und für Ihn. Genau daraus erklärt sich auch der zweite Aspekt, der die Engel kennzeichnet: Sie sind Boten Gottes. Sie bringen Gott zu den Menschen, sie öffnen den Himmel und öffnen so die Erde. Gerade weil sie bei Gott sind, können sie auch dem Menschen sehr nahe sein. Gott ist in der Tat jedem von uns näher als wir es uns selbst sind. Die Engel sprechen zum Menschen von dem, was sein wahres Sein ausmacht, von dem, was in seinem Leben so oft zugedeckt und begraben ist. Sie rufen ihn auf, wieder zu sich zu kommen, indem sie ihn von Gott her berühren. In diesem Sinn sollten auch wir Menschen immer wieder füreinander Engel werden – Engel, die uns von den falschen Wegen abbringen und uns immer von neuem auf Gott ausrichten. Wenn die alte Kirche die Bischöfe »Engel« ihrer Kirche nennt, will sie damit sagen: Die Bischöfe selbst müssen Männer Gottes sein, müssen ihr Leben auf Gott ausrichten. »Multum orat pro populo– Er betet viel für das Volk«, heißt es im Brevier der Kirche in Bezug auf die heiligen Bischöfe. Der Bischof muss ein Beter sein, der bei Gott für die Menschen eintritt. Je mehr er das tut, um so mehr versteht er auch die Menschen, die ihm anvertraut sind, und kann für sie zu einem Engel werden – zu einem Boten Gottes, der ihnen hilft, ihr wahres Wesen, sich selbst, zu finden und die Idee zu leben, die Gott von ihnen hat.

Das alles wird noch klarer, wenn wir uns jetzt die Gestalten der drei Erzengel ansehen, deren Fest die Kirche heute feiert. Da ist zunächst Michael. Ihm begegnen wir in der Heiligen Schrift vor allem im Buch Daniel, im Brief des Apostels Judas Taddäus und in der Offenbarung. Zwei Aufgaben dieses Erzengels werden in diesen Texten offenkundig. Er verteidigt die Sache der Einzigkeit Gottes gegen die Vermessenheit des Drachen, der »alten Schlange«, wie Johannes sagt. Es ist der unablässige Versuch der Schlange, die Menschen glauben zu machen, dass Gott verschwinden müsse, damit sie groß werden können; dass Gott uns in unserer Freiheit behindere und dass wir uns darum seiner entledigen müssen. Aber der Drache klagt nicht nur Gott an. Die Offenbarung nennt ihn auch den »Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte« (12,10). Wer Gott zurückstellt, macht den Menschen nicht groß, sondern nimmt ihm seine Würde. Da wird der Mensch zu einem misslungenen Produkt der Evolution. Wer Gott anklagt, klagt auch den Menschen an. Der Glaube an Gott verteidigt den Menschen in allen seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten: Der Glanz Gottes findet auf jedem einzelnen seinen Abglanz. Aufgabe des Bischofs als Mann Gottes ist es, gegen die Verleugnungen Gott in der Welt Raum zu geben und so die Größe des Menschen zu verteidigen. Und was ließe sich über den Menschen Größeres sagen und denken, als dass Gott selbst Mensch geworden ist? Die andere Aufgabe Michaels besteht nach der Schrift darin, Beschützer des Gottesvolkes zu sein (vgl. Dan10,21; 12,1). Liebe Freunde, seid wahrhaftig »Schutzengel« der Kirchen, die euch anvertraut sind! Helft dem Volk Gottes, dem ihr auf seiner Pilgerschaft vorangehen sollt, Freude im Glauben zu finden und die Unterscheidung der Geister zu lernen: nämlich das Gute anzunehmen und das Böse abzulehnen, kraft der Hoffnung des Glaubens Menschen zu bleiben und immer mehr Menschen zu werden, die in Gemeinschaft mit Gott lieben, der die Liebe ist.

Dem Erzengel Gabriel begegnen wir vor allem in der kostbaren Erzählung von der Verkündigung der Menschwerdung Gottes an Maria, wie sie uns der hl. Lukas berichtet (1,26–38). Gabriel ist der Bote der Menschwerdung Gottes. Er klopft an die Tür Mariens, und durch ihn bittet Gott selbst Maria um ihr »Ja« zu dem Angebot, Mutter des Erlösers zu werden: ihr menschliches Fleisch dem ewigen Wort Gottes, dem Sohn Gottes zu geben. Immer wieder klopft der Herr an die Türen des menschlichen Herzens. In der Geheimen Offenbarung sagt er zum »Engel« der Kirche von Laodizea und durch ihn zu den Menschen aller Zeiten: »Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir« (3,10). Der Herr steht an der Tür – an der Tür der Welt und an der Tür jedes einzelnen Herzens. Er klopft an, um eingelassen zu werden: die Menschwerdung Gottes, sein Fleischwerden soll bis ans Ende der Zeiten andauern. Alle sollen in Christus in einem einzigen Leib vereint werden: Das sagen uns die großen Christushymnen im Epheserbrief und im Kolosserbrief. Christus klopft an. Auch heute braucht er Menschen, die ihm sozusagen ihren Leib zur Verfügung stellen, die ihm die Materie der Welt und ihres Lebens schenken und auf diese Weise der Vereinigung zwischen Gott und der Welt, der Versöhnung des Universums dienen. Liebe Freunde, es ist eure Aufgabe, im Namen Christi an die Herzen der Menschen zu klopfen. Indem ihr selbst eins werdet mit Christus, werdet ihr auch die Aufgabe Gabriels übernehmen können: den Menschen den Ruf Christi zu überbringen.

Der hl. Rafaelwird uns vor allem im Buch Tobit als der Engel vorgestellt, dem die Aufgabe des Heilens übertragen ist. Wenn Jesus seine Jünger in die Mission entsendet, wird die Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums immer auch mit der Aufgabe des Heilens verbunden. Der barmherzige Samariter, der dem am Straßenrand liegenden Schwerverletzten aufhilft und seine Wunden verbindet, wird wortlos zu einem Zeugen der Liebe Gottes. Dieser verletzte Mensch, der Heilung braucht, sind wir alle. Die Verkündigung des Evangeliums bedeutet schon an sich Heilen, weil der Mensch vor allem Wahrheit und Liebe braucht. Im Buch Tobit wird von zwei sinnbildlichen Heilungsaufgaben des Erzengels Rafael berichtet. Er heilt die gestörte Gemeinschaft zwischen Mann und Frau. Er heilt ihre Liebe. Er treibt die Dämonen aus, die immer wieder ihre Liebe angreifen und sie zerstören. Er reinigt die Atmosphäre zwischen den beiden und schenkt ihnen die Fähigkeit, sich für immer gegenseitig anzunehmen. In der Erzählung von Tobit wird mit legendären Bildern von dieser Heilung berichtet. Im Neuen Testament wird die Ordnung der Ehe, die in der Schöpfung festgelegt und von der Sünde vielfach bedroht ist, dadurch geheilt, dass Christus sie in seine erlösende Liebe aufnimmt. Er macht aus der Ehe ein Sakrament: Seine Liebe, die für uns auf das Kreuz gestiegen ist, ist die heilende Kraft, die in aller Verwirrung die Fähigkeit zur Versöhnung verleiht, die Atmosphäre reinigt und die Wunden heilt. Dem Priester obliegt die Aufgabe, die Menschen immer wieder zu der versöhnenden Kraft der Liebe Christi hinzuführen. Er muss der heilende »Engel« sein, der ihnen hilft, ihre Liebe im Sakrament zu verankern und sie mit immer wieder neuem Schwung von diesem her zu leben. An zweiter Stelle spricht das Buch Tobit von der Heilung der blinden Augen. Wir wissen alle, wie sehr wir heute von der Blindheit gegenüber Gott bedroht sind. Wie groß ist die Gefahr, dass wir angesichts all dessen, was wir über die materiellen Dinge wissen und mit ihnen tun können, blind werden für das Licht Gottes! Diese Blindheit durch die Botschaft des Glaubens und das Zeugnis der Liebe zu heilen, ist der Dienst Rafaels, der Tag für Tag dem Priester und in besonderer Weise dem Bischof aufgetragen ist. So sind wir spontan dazu geneigt, auch an das Sakrament der Versöhnung, das Sakrament der Buße zu denken, das im tiefsten Sinn des Wortes ein Sakrament der Heilung ist. Die wahre Wunde der Seele nämlich, der Grund all unserer anderen Wunden ist die Sünde. Und nur wenn es eine Vergebung kraft der Macht Gottes, kraft der Macht der Liebe Christi gibt, können wir geheilt werden, können wir erlöst werden.

»Bleibt in meiner Liebe«, sagt uns der Herr heute im Evangelium (Joh15,9). In der Stunde der Bischofsweihe sagt er das in besonderer Weise zu euch, liebe Freunde. Bleibt in seiner Liebe! Bleibt in jener Freundschaft mit ihm, die von der Liebe erfüllt ist, die er in dieser Stunde euch von neuem schenkt! Dann wird euer Leben Frucht bringen – eine Frucht, die bleibt (vgl.Joh15,16). Damit euch dies geschenkt werde, beten wir alle in dieser Stunde für euch, liebe Brüder. Amen.

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Ansprache in der Abtei Heiligenkreuz, Österreich,Sonntag, 9. September 2007 (Auszug)

In einem Kloster benediktinischer Prägung hat daher das Gotteslob, das die Mönche als feierliches Chorgebet halten, immer den Vorrang. Gewiss – und Gott sei Dank! –, die Mönche sind nicht die einzigen, die beten; auch andere Menschen beten: Kinder, Jugendliche und alte Menschen, Männer und Frauen, Verheiratete und Alleinstehende – jeder Christ betet, oder er sollte es zumindest tun.

Im Leben der Mönche hat freilich das Gebet eine besondere Stellung: Es ist die Mitte ihres Berufes. Sie sind von Beruf Betende. In der Väterzeit wurde das Mönchsleben als Leben nach der Weise der Engel bezeichnet. Und als das Wesentliche der Engel sah man es an, dass sie Anbetende sind. Ihr Leben ist Anbetung. So sollte es auch bei den Mönchen sein. Sie beten zuallererst nicht um dies oder jenes, sondern sie beten einfach deshalb, weil Gott es wert ist, angebetet zu werden. „Confitemini Domino, quoniam bonus! Danket dem Herrn, denn er ist gütig! Denn seine Huld währt ewig“, rufen viele Psalmen (z. B. 106,1).Ein solches zweckfreies Gebet, das reiner Gottesdienst sein will, wird daher mit Recht „Officium“ genannt. Es ist der „Dienst“, der „heilige Dienst“ der Mönche. Er gilt dem dreifaltigen Gott, der über alles würdig ist, „Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht“ (Offb4,11), da er die Welt wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert hat.

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Ansprache an eine Delegation der Hochschule für katholische Kirchenmusik Regensburg, Castelgandolfo, Freitag, 28. September 2007 (Auszug)

Wenn man versucht, Kirchenmusik von ihrem Wesen her und auf ihr Wesen hin zu erneuern, stellt sich die Frage: Was ist das eigentlich, ihr Wesen – das Wesen von Kirchenmusik, die nicht bloß allgemein religiöse Musik, sondern Musik der Kirche darstellt; die nicht Zutat zur Liturgie, sondern selbst Liturgie ist, wie das Zweite Vaticanum betont? Bei dieser Frage, die entscheidend ist, damit wir den Weg der Erneuerung finden können, ist mir immer ein Satz das Leitwort, den aus den Psalmen heraus der hl. Benedikt in seiner Regel den Mönchen als Wegweisung für ihren Psalmengesang gegeben hat: »Coram angelis psallam tibi, domine – Im Angesicht der Engel will ich dir singen, o Gott.«

Da sind zwei Bezugspunkte angegeben. Der erste heißt »tibi« – wir singen »dir«. Es handelt sich um Begegnung mit dem lebendigen Gott. Wir singen nicht einfach für uns selber, führen etwas auf; wir singen auf ein Du hin. Wir singen, ihn vor Augen und um zu ihm vorzudringen. Wir singen für Gott – für den Gott, der kein Unbekannter für uns ist, sondern ein Gesicht hat, das Gesicht Jesu Christi. Für den Gott, der »Logos«, Wort, Vernunft und Liebe ist. Zu solcher Begegnung muss also gehören: Einerseits, dass es sich um Musik handelt, die sich dem Wort verpflichtet weiß, die von der Vernunft erleuchtet ist; andererseits dass es Musik ist, die aus dem Herzen kommt, die von der Liebe inspiriert wird.

Der zweite Gesichtspunkt lautet: »coram angelis « – vor den Engeln singen wir. Benedikt wollte sicher den Mönchen sagen, sie sollten bedenken, dass bei ihrem Chor im stillen die Engel anwesend sind, dass sie zuhören und der Gesang so sein soll, dass die Engel ihn hören können. Aber es ist mehr – es ist nicht nur, dass die Engel da sind und zuhören. Sondern wir singen mit ihnen. Wir sollten also das »Ohr des Herzens« so weit öffnen, dass wir sozusagen den Gesang der Engel innen verstehen und in ihn einstimmen, mit ihnen mitsingen können. Gemeint sind natürlich dann bei diesem Mitsingen nicht nur die Engel, sondern die ganze Gemeinschaft der Heiligen aller Orte und Zeiten.

Wir singen zuerst für dieses Du – für den Einen. Aber singen und spielen (»psallere« ist an sich ein instrumentenbegleitetes Singen), nicht nur als Individuen, sondern im Einklang mit dem großen Gesang von Himmel und Erde, mit dem Gesang aller Zeiten. Das bedeutet dann für die Kirchenmusik, so wie sie sich an diesem Gott, der Logos und Liebe ist, orientiert und von ihm inspirieren und berühren lässt, dass sie sich auch hineingenommen weiß in das große Singen der Jahrhunderte, in das Singen der vergangenen Chöre wie der künftigen, auf die sie sich ausspannt. Daraus ergibt sich, wie mir scheint, sowohl die Bindung wie die Freiheit der Kirchenmusik: Die Bindung besteht nicht so sehr in äußeren Rechtsvorschriften als darin, dass wir uns diesem Du zuwenden, von ihm uns formen, reinigen und erleuchten lassen, und uns damit zugleich in die große Symphonie des Wir hineingeben und in ihr versuchen, keine Misstöne zu bringen, sondern zu bereichern und auszuweiten. Diese Bindung ist zugleich Freiheit, denn wir singen nicht nur mit der Kirche der Vergangenheit, sondern auch mit der Kirche der Zukunft. Deswegen ist das Schöpferische und Weite immer wieder angefragt. Die Wegweisung, die es vom Du Gottes und vom Wir der Gemeinschaft der Heiligen her empfängt, verengt nicht, sondern gibt die Inspiration, die zu wahrer Kreativität nötig ist.

Die Hochschule für Kirchenmusik Regensburg hat sich immer diesem Programm verpflichtet gewusst. Sicher – wenn wir heute zurückschauen, würden wir sagen, dass es am Anfang auch Einseitigkeiten oder Verengungen gegeben hat. Dennoch war immer der große Auftrag im Blick, dieser Weise des weitergehenden Singens und Spielens vor Gott zu dienen. Immer ging es darum, Kirchenmusik zu realisieren, die Musik für Gott und gerade darum wirkliche Musik ist. Sie dürfte nicht Kirchenmusik heißen, wenn sie nicht auch wahrhaft zur großen Realität der Musik dieser Welt gehören würde.

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Angelus, I. Sonntag der Fastenzeit, 1. März 2009

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute ist der erste Fastensonntag, und im nüchternen und konzisen Stil des hl. Markus führt uns das Evangelium in die Atmosphäre dieser liturgischen Zeit ein: »Danach trieb der Geist Jesus in die Wüste. Dort blieb Jesus vierzig Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt« (Mk1,12–13). Im Heiligen Land befindet sich westlich des Flusses Jordan und der Oase von Jericho die Wüste Juda, die über steinige Täler und einen Höhenunterschied von ungefähr 1000 Metern bis nach Jerusalem hin ansteigt. Nachdem er die Taufe von Johannes empfangen hatte, begab sich Jesus in jene Einsamkeit, in die ihn der Heilige Geist selbst führte, der auf ihn herabgekommen war, ihn gesalbt und als Sohn Gottes offenbart hatte. In der Wüste – dem Ort der Prüfung, wie die Erfahrung des Volkes Israel zeigt – tritt in ihrer eindringlichen Dramatik die Wirklichkeit der Kenosis hervor, der Entäußerung Christi, der die Gestalt Gottes abgelegt hat (vgl.Phil 2,6–7). Er, der nicht gesündigt hat und nicht sündigen kann, unterwirft sich der Prüfung und kann daher mit unserer Schwäche mitfühlen (vgl. Heb 4,15). Er lässt sich vom Satan in Versuchung führen, dem Widersacher, der sich von Anfang an dem Heilsplan Gottes für die Menschen widersetzt hat.

Gegenüber dieser dunklen und finsteren Gestalt, die es wagt, den Herrn zu versuchen, treten in der Kürze der Erzählung fast beiläufig die Engel in Erscheinung, licht- und geheimnisvolle Gestalten. Die Engel, so heißt es im Evangelium, »dienten« Jesus (Mk 1,13); sie sind Antagonisten des Satans. »Engel« heißt »Gesandter«. Im gesamten Alten Testament finden wir diese Gestalten, die im Namen Gottes den Menschen helfen und sie führen. Es genügt, das Buch Tobitin Erinnerung zu rufen, in dem die Gestalt des Engels Rafael erscheint, der dem Protagonisten in den verschiedensten Situationen beisteht. Die Sicherheit vermittelnde Gegenwart des Engels des Herrn begleitet das Volk Israel in allem, was ihm an Guten und an Schlechtem widerfährt. An der Schwelle zum Neuen Testament ist Gabriel ausgesandt, um Zacharias und Maria die freudigen Ereignisse zu verkündigen, die am Anfang unseres Heils stehen; und ein Engel, dessen Name nicht genannt wird, spricht zu Josef und gewährt ihm in jenem Augenblick der Unsicherheit eine Orientierung. Ein Chor von Engeln überbringt den Hirten die frohe Botschaft von der Geburt des Heilands, wie es auch Engel sein werden, die den Frauen die freudige Nachricht von seiner Auferstehung verkünden. Am Ende der Zeiten werden die Engel Jesus bei seiner Wiederkunft in Herrlichkeit begleiten (vgl. Mt25,31). Die Engel dienen Jesus, der gewiss höher steht als sie, und diese seine Würde wird hier, im Evangelium, auf eindeutige, wenn auch zurückhaltende Weise erklärt. Auch in der Situation äußerster Armut und Niedrigkeit nämlich, als der Satan ihn in Versuchung führt, bleibt er der Sohn Gottes, der Messias, der Herr.

Liebe Brüder und Schwestern, wir würden das Evangelium um einen bedeutenden Teil verkürzen, wenn wir diese von Gott gesandten Wesen vernachlässigten, die seine Gegenwart unter uns verkündigen und eines ihrer Zeichen sind. Rufen wir sie oft an, auf dass sie uns in dem Bemühen stützen, Jesus nachzufolgen, bis zu dem Punkt, dass wir uns mit ihm identifizieren. Bitten wir sie besonders am heutigen Tag, über mich und die Mitarbeiter der Römischen Kurie zu wachen, die wir am heutigen Nachmittag wie jedes Jahr die Woche der Exerzitien beginnen werden. Maria, Königin der Engel, bitte für uns!

Franziskus (seit 2013)

Immer wieder hat Papst Franziskus über die Schutzengel gesprochen und deren Rolle im Leben des Christen betrachtet. Das Fest der Schutzengel feiert die Kirche am heutigen 2. Oktober feiert.

Die folgenden vier Aussagen des Pontifex können dabei helfen, die Beziehung zum eigenen Schutzengel zu vertiefen.

  1. Der Schutzengel ist kein Phantasiegebilde

Im Jahr 2014 sagte Papst Franziskus bei seiner Predigt in der Casa Santa Marta, dass der Schutzengel wirklich existiere und kein Phantasiegebilde sei, sondern ein Begleiter, den Gott einem jeden von uns auf den Lebensweg gegeben hat.

„Den Engel, unseren Weggefährten, wegzujagen ist gefährlich, weil kein Mann, keine Frau sich selbst Rat erteilen kann: Ich kann einem anderen Ratschläge erteilen, aber ich kann mir selbst keinen Rat erteilen. Da ist der Heilige Geist, der mich berät, da ist der Schutzengel, der mich berät. Deshalb brauchen wir sie. Das ist keine Phantasielehre über die Engel, nein, es ist eine Wirklichkeit. Jesus hat gesagt, Gott hat gesagt: ‚Ich sende einen Engel, um dich zu beschützen, damit er dich auf deinem Weg begleite, damit du nicht fehlst'“.

  1. Die Engel kämpfen gegen den Teufel

Am 29. September 2014 erläuterte der Papst gegenüber „Radio Vatikan“, dass der Teufel die Dinge so darstelle, als wären sie gut, seine Absicht aber sei es, den Menschen zu zerstören; die Engel kämpfen gegen den Teufel und verteidigen uns.

„Sie verteidigen den Menschen und sie verteidigen den Gott-Menschen, den höheren Menschen, Jesus Christus, der die Vervollkommnung des Menschseins ist, der vollkommenste aller Menschen. Deshalb ehrt die Kirche die Engel, denn sie sind jene, die in der Herrlichkeit Gottes sein werden – die in der der Herrlichkeit Gottes sind –, weil sie das große, verborgene Geheimnis Gottes verteidigen, nämlich dass das Wort Fleisch geworden ist“.

  1. Um auf unseren Schutzengel zu hören, müssen wir gelehrig sein

Am 2. Oktober 2015, erneut bei einer Predigt während der Heiligen Messe in der Casa Santa Marta, sagte der Papst, der Christ müsse „dem Heiligen Geist gegenüber fügsam und gelehrig sein. Die Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist beginnt mit der Fügsamkeit gegenüber den Ratschlägen dieses Weggefährten.“ Um fügsam zu sein riet der Papst, klein zu werden wie die Kinder.

„Bitten wir heute den Herrn um die Gnade dieser Fügsamkeit; darum, auf die Stimme dieses Gefährten, dieses Boten Gottes zu hören, der in seinem Namen an unserer Seite ist und uns mit seiner Hilfe stützt“.

  1. Wir sollen die Schutzengel achten, denn sie sind stete Berater

In der gleichen Predigt versicherte der Heilige Vater, dass der Schutzengel „immer bei uns sei“, und dass der Herr zu uns sage: „‚Achte auf ihn, respektiere seine Gegenwart! Höre auf seine Stimme, den er berät dich‘.“

Er erklärte auch, unser Engel sei „ein Freund, den wir nicht sehen, aber den wir spüren.“ Ein Freund, der eines Tages „mit uns im Himmel sein wird, in der ewigen Freude“.

„Und wenn wir, beispielsweise, etwas Schlechtes tun und denken, dass wir allein sind: ´Nein, er ist da.´ Wenn wir eine Eingebung haben: ´Tu dies… das ist besser…das darfst du nicht tun´… dann höre auf ihn! Widersetze dich ihm nicht!“